Für 2023 erwartet die Europäische Kommission mit ca. 126,4 Mio. Tonnen eine geringfügig höhere Weizenernte als im Vorjahr (+0,6 %), da die ursprünglich höher erwartete Erntemenge durch die Hitzewelle insbesondere auf der iberischen Halbinsel stetig nach unten korrigiert wurde. Die Gesamtgetreideernte der EU von 273,6 Mio. t liegt um 3,1 % höher. Hauptverantwortlich dafür ist vor allem die höher prognostizierte Maisernte (+20,9 %). Neben der erhöhten Weizen- und Maisernte werden EU-weit weniger Gerste (-5,4%), gleich viel Roggen (+/-0 %) und mehr Hartweizen (+1,4 %) erwartet.
Innerhalb Europas verzeichnen Ungarn (+74,5 %) und Rumänien (+28 %) eine deutlich bessere Erntemenge als im dürregeplagten Vorjahr. Das größte Produktionsland Frankreich kann seine Vorjahresernte ebenfalls übertreffen (+5,8 %). Spanien (-19,8 %) und Deutschland (-3,1 %) hingegen müssen Ernteeinbußen hinnehmen.
Die größere Getreideernte (+3,1 %) von 273,6 Mio. t kann den marginal erhöhten Verbrauch von 256,4 Mio. t (+0,4 %) und die hohen Exporte von 47,8 Mio. t (+1,5 %) komfortabel abdecken. Der Anstieg des EU-Getreideverbrauchs basiert auf einer höheren Vermahlung und einem höheren Einsatz in der industriellen Verarbeitung, während der Futterverbrauch stagniert.
EU-Ölsaatenproduktion mit leichten Zuwächsen
Insgesamt wird die EU-Ölsaatenerntemenge auf 32,9 Mio. t geschätzt und liegt somit deutlich (+10,6%) über dem Durchschnitt der letzten Jahre.
Die europäische Rapsernte von 19,4 Mio. t sinkt geringfügig (-0,5 % zum Vorjahr). Die erwartete Erntemenge von Sonnenblumen liegt mit 10,6 Mio. t um +15,2 % deutlich über 2022. Die Prognose für die Sojabohnenernte beläuft sich auf +20,8 %.
Weltweit: Getreideernte auf Allzeithoch
“Laut den aktuellsten Prognosen des internationalen Getreiderates (IGC) liegt die weltweite Getreideproduktion von 2,297 Mrd. t auch unter Berücksichtigung der schwierigen Lage durch den Ukraine-Konflikt über dem Vorjahr (+1,7 %) und übertrifft den bisherigen Rekordwert aus 2021/2022. Der Verbrauch von 2,306 Mrd. t übersteigt die Produktion, wodurch die Lagervorräte am Ende der Vermarktungssaison einen Rückgang verzeichnen werden”, berichtet Marktexperte Christian Gessl.
Bei Weizen liegt die Produktion unter dem erwarteten Verbrauch, weshalb die Endbestände von Weizen (-7,1 %) schrumpfen werden. Die gesteigerte Maisernte (+5,5 %) kann den Verbrauch nach dem defizitären Vorjahr abdecken, weshalb die Endbestände von Mais steigen werden (+5,2 %).
Die Weizenernte verzeichnet laut USDA (US-amerikanisches Landwirtschafts-ministerium) Zuwächse in der EU, Indien (+9,1 %), USA (+5,4 %) und Argentinien (+39,4 %). Demgegenüber stehen Ernterückgänge der Weizenernte in Russland (-7,6 %), Australien (-26,9 %) und der Ukraine (-18,6 %).
Verantwortlich für den Maisproduktionsanstieg sind größere Ernten in den USA (+11,6 %), Argentinien (+58,8 %) und der EU, welche Rückgänge in Brasilien (-3 %) und der Ukraine (-7,4 %) mehr als ausgleichen können.
Getreideverbrauch übersteigt Produktion
Mit geschätzten 2,306 Mrd. t liegt der Getreideverbrauch über dem Vorjahr (+1,6 %). Die weltweite Versorgungslage ist mit Lagerendbeständen in Höhe von 25,2 % (“stock-to-use”-Wert: Weizen 32,7 %, Mais 23,4 %) des weltweiten Verbrauchs mittelmäßig und liegt somit unter dem Niveau der letzten Jahre.Jedoch liegen aktuell mehr als die Hälfte der weltweiten Vorräte (56,4 %) in China und stehen somit am Weltmarkt nicht zur Verfügung.
Erneuter Produktionsrekord für Sojabohnen und Raps
Die globale Ölsaatenproduktion erreicht laut USDA im heurigen Jahr mit 667,3 Mio. t ein neues Rekordniveau mit massiven Steigerungen zum bisherigen Rekord im Vorjahr (+6 %).
Die Sojabohnenernte (405,3 Mio. t) bricht den Vorjahresrekord. Ausschlaggebend dafür ist aus bisheriger Sicht die prognostizierte Verdoppelung der Sojabohnenproduktion Argentiniens (+92 %).
Die weltweite Rapsernte erreicht ein Niveau in Höhe von 87,4 Mio. t (-1%). Steigerungen in Kanada (+6,8%) stehen dem Produktionseinbruch in Australien (-41 %) gegenüber.
Die Sonnenblumenernte (+3,2 %) steigt zum Vorjahresergebnis, da in den wichtigsten Anbaugebieten (EU, Ukraine, Russland) Steigerungen zu erwarten sind.
USA und China bestimmen weiterhin den Weltmarkt
Im weltweiten Getreidehandel bleiben die USA weltweit führendes Exportland. 2023/2024 werden rd. 450 Mio. t Getreide gehandelt, davon decken die USA nahezu ein Fünftel (17,7 %) der Gesamtausfuhren ab.
Importseitig beeinflusst China als weltweit größter Verbraucher weiterhin den internationalen Handel. Der Anteil Chinas an der weltweit gehandelten Ware beläuft sich bei Getreide auf 11,9 %, bei Ölsaaten auf 54,3 %.
“Trotz der aktuellen Ernteprognose weltweit auf Rekordniveau bleiben die Märkte volatil. Die Zurücknahme der Produktionszahlen in Europa und in den USA sowie die nicht einschätzbare Entwicklung der Getreidelieferungen aus der Ukraine werden entscheidend die Marktentwicklung in den nächsten Wochen beeinflussen”, resümiert Gessl.
Ukraine-Weizen-Exporte deutlich gesunken
Der Anteil der Ukraine am Weizenexport weltweit betrug in den Jahren 2018 – 2020 9,4%. Durch die kriegsbedingten Verwerfungen kann die Ukraine aktuell 5,0% der weltweiten Weizenexporte abdecken. Demgegenüber konnte Russland seinen Einfluss am Weltweizenmarkt erhöhen. Der Anteil der Exporte von 18,9 % im Fünfjahresmittel wurde heuer auf 22,4 % erhöht.
Die Ukraine liegt mit der aktuellen Weizenproduktion von 17,5 Mio. t um -18,6 % unter dem Vorjahr und um -34,8 % unter dem Fünfjahresmittel. Demnach sinken die Exporte um -37,5 % zum Vorjahr und sogar um -41,4 % zum Fünfjahresmittel.
Russland hingegen erntet mit 85 Mio. t um 6,8 % mehr als im Fünfjahresmittel und liegt um -7,6 % unter dem guten Vorjahresergebnis. Demnach liegen die aktuellen Exportmengen um 4,4% über dem Vorjahr und um 26,4 % über dem Fünfjahresmittel.
Mitte Juli endete das Abkommen zwischen Ukraine, Russland und der Türkei über den Schwarzmeerkorridor für Getreideexporte der Ukraine. Bis dato hat Russland einer Verlängerung nicht zugestimmt.
Durch die blockierten bzw. nicht im gewohnten Umfang funktionierenden Exportwege über das Schwarze Meer startete die EU kurz nach Kriegsbeginn die Initiative “Solidarity lanes” d.h. die Schaffung von Importe aus der Ukraine über dem Landweg bzw. die Binnenschifffahrt in die EU. Die EU importierte 2022/2023 5,7 Mio. t Weichweizen und 14,4 Mio. t Mais, wodurch das Maiserntedefizit 2022 gedeckt werden konnte.
Unabhängig von der Ukraine-Krise dominieren die EU (18,2 %) sowie Russland (22,4 %) den Weizenexportmarkt.
Die Europäische Union spielt weiterhin eine gewichtige Rolle für die Ernährung der Welt. Die EU zählt zu den größten Weizenproduzenten weltweit und ist der zweitgrößte Weizenexporteur. Die EU-Ukraine-Initiativen halfen die Lager in der Ukraine zu leeren und die Belieferung der Zuschussgebiete auf anderen Wegen zu gewährleisten.