Das Jahr 2022 hat auf den Strom- und Gasmärkten zu großen Veränderungen geführt. Ein funktionierender und effektiver Wettbewerb, wie er seit Beginn der Liberalisierung der Energiemärkte im Jahr 2001 (Strom) bzw. 2002 (Gas) gegeben war, ist völlig ins Wanken geraten. Bereits gegen Ende des Jahres 2021 sind die Energiepreise stark gestiegen, was sich durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar noch weiter verschärft hat.
„Das hat zur Folge gehabt, dass es bei den Konsument:innen auf der einen Seite zu einer großen Verunsicherung gekommen ist, auf der anderen Seite war das Bewusstsein darüber, wie wertvoll unsere Energie ist, selten so groß. Ein sorgsamer Umgang mit Energie darf aber kein kurzfristiges Krisenprojekt sein, sondern muss zu einem nachhaltigen Selbstverständnis transformiert werden. Und hier sind wir auf einem guten Weg.“, zieht der Vorstand der E-Control, Alfons Haber, Bilanz.
„Mit dem Erlass des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) mit Juli 2021 hat der Gesetzgeber nicht nur ein neues Förderregime, sondern auch eine neue Basis für die Berichtspflichten der E-Control geschaffen. Der diesjährige EAG-Monitoringbericht, welcher sich auf das Jahr 2022 bezieht, ist erst der zweite seiner Art. Als zentrale Vorgabe des EAGs kann das Ziel von 100% erneuerbarem Strom am Gesamtstromverbrauch angesehen werden. Somit steht nicht mehr ausschließlich der geförderte Ökostrom, der in das öffentliche Netz eingespeist wird, im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern der gesamte Strom aus erneuerbaren Quellen.“, erläutert Alfons Haber. Im EAG-Monitoringbericht werden somit der laut Ökostromgesetz (ÖSG 2012) geförderte Ökostrom, erneuerbare Anlangen, die mittels EAG gefördert werden, sowie jene Anlagen, die keine Förderung (mehr) erhalten, in der Berichtsdarstellung aufgenommen.
Zielerreichung
Um diese Zielsetzungen entsprechend dokumentieren zu können, bildet der Inlandstromverbrauch die Basis und die (erneuerbare) Bruttostromerzeugung wird als Indikator für die erneuerbare Erzeugung herangezogen.
„Aufgrund des gesunkenen Inlandstromverbrauchs und der gleichzeitig gesunkenen Bruttostromerzeugung konnten 2022 wiederum 78 % des Inlandstromverbrauchs durch erneuerbaren Strom gedeckt werden.“, zeigt sich Alfons Haber erfreut.
Installierte Leistung gestiegen
Die installierte Leistung von Erneuerbaren konnte bis Ende 2022 verglichen mit 2020 (netto) um 2.141 MW gesteigert werden, wobei die erzeugten Mengen in diesem Zeitraum um 3.611 GWh zurückgingen. Dies spiegelt den steigenden Einfluss von guten oder vergleichsweise schlechten Wasser-, Wind- und Sonnenjahren wider.
Geförderter Ökostrom und Unterstützungsvolumen weiterhin rückläufig
Der bis Ende 2022 auf 51,45 Cent/kWh gestiegene Marktpreis hat sich deutlich auf den geförderten Ökostrom ausgewirkt.
Verglichen mit 2021 (8.363 GWh) sank die von der Abwicklungsstelle für Ökostrom AG (OeMAG) abgenommene Menge in der Ökobilanzgruppe, welche Anlagen, die einen Einspeisetarif laut ÖSG 2012 erhalten oder zum Marktpreis alt an die OeMAG liefern, auf 3.006 GWh. Dieser Trend spiegelt sich auch bei der installierten Leistung der Ökobilanzgruppe wider. Diese sank von 2.698 MW am 31.12.2021 auf 1.518 MW am 31.12.2022.
„Das bedeutet aber nicht, dass diese Leistung verloren oder stillgelegt wurde, sondern nur, dass diese temporär aus dem Fördersystem ausgetreten ist, um den Strom zum höheren Marktpreis zu vermarkten. Viele Anlagen nutzen diesen und profitieren dadurch vom gestiegenen Marktpreis.“, betont Haber. „So stieg die installierte Leistung in der Marktpreisbilanzgruppe (Marktpreis neu) von 23 MW Ende 2021 auf 1.390 MW Ende 2022. Gleichzeitig wurden so 465 GWh von der OeMAG über diesen Weg abgenommen.“, so Haber. Und weiter: „Im 4. Quartal 2022 hat der Marktpreis gemäß § 41 ÖSG 2012 seinen Höhepunkt erreicht. 2023 ist dieser wieder deutlich gesunken. Welche Auswirkungen dies haben wird, werden wir im nächsten EAG-Monitoringbericht darstellen.“ Informationen zum aktuellen Marktpreis sind auf der Homepage der E-Control abrufbar.
Aufgrund der gesunkenen Mengen in der Ökobilanzgruppe sank das Vergütungsvolumen von 913 Mio. im Jahr 2021 EUR auf 666 Mio. EUR im Jahr 2022. Das berechnete Unterstützungsvolumen, also jener Anteil, der nach Abzug des Marktwertes des geförderten Stroms aufzubringen ist, hat sich von 62 Mio. EUR 2021 auf minus 109 Mio. EUR 2022 gedreht.
Erneuerbaren-Förderbeitrag und Erneuerbaren-Förderpauschale für 2023 ausgesetzt
Aufgrund des gestiegenen Marktpreises, welcher sich auch im zuvor angeführten Unterstützungsvolumen widerspiegelt, konnte die OeMAG im Jahr 2022 deutliche Mehreinnahmen durch die Zuweisung des geförderten Ökostroms an die Lieferanten generieren. Diese Mehreinnahmen waren so hoch, dass Berechnungen von Ende 2022 wieder ergeben haben, dass etwaige Förderkosten des Jahres 2023 bereits abgedeckt waren. Nachdem keine zusätzlichen Einnahmen für das Jahr 2023 notwendigen waren, war der Erneuerbaren-Förderbeitrag mit 0 Cent/kWh anzusetzen. Die oben erwähnten Mehreinnahmen waren sogar so hoch, dass der Gesetzgeber nachträglich auch die Erneuerbaren-Förderpauschale mittels Gesetzesnovelle für das Jahr 2023 erneut auf 0 gesetzt hat.
Hilfe für einkommensschwache Haushalte
Mit dem EAG wurde für einkommensschwache Haushalte eine weitere Unterstützung eingeführt. „Neben der bereits bekannten und bestehenden Kostenbefreiung für einkommensschwache Haushalte gibt es nun auch eine zusätzliche Kostendeckelung für Haushalte. Abhängig vom Nettoeinkommen des Haushalts werden die Erneuerbare-Förderpauschale und der Erneuerbaren-Förderbeitrag auf 75 Euro jährlich begrenzt. Sobald es also zu einem Anstieg von Erneuerbare- Förderbeitrag und der Erneuerbaren-Förderpauschale kommt, greift diese Bremse bei einkommensschwachen Haushalten.“, erläutert Haber die Erleichterung für benachteiligte Haushalte.
Ergebnisse des aktuellen EAG-Monitoringberichts: Photovoltaik konnte auch bei der abgenommenen Menge zulegen
Auch 2022 wurden trotz Erlass des EAGs mit Mitte 2021 weiterhin bestimmte Ökostromtechnologien mittels staatlich garantierter Einspeisetarife, also fixen Abnahmepreisen für den Strom, gefördert.
Betrachtet man die von der OeMAG laut ÖSG 2012 abgenommene Menge im Jahr 2022, so kam es nach einem Rückgang 2021 auf 8.363 (-1.185 GWh) zu einem weiteren Rückgang auf 3.006 GWh (-5.357 GWh) 2022. „Den signifikantesten Rückgang verzeichnete dabei erneut die Windkraft. Nach knapp 640 GWh 2021 waren es 2022 3.391 GWh weniger, gefolgt von der festen Biomasse mit 677 GWh.“, zitiert Haber aus dem EAG-Monitoringbericht.
Bei der installierten Leistung ergibt sich ein etwas differenzierteres Bild. Hier sank die installierte, von der OeMAG in der Ökobilanzgruppe abgenommene, Leistung bei der Photovoltaik um 838 MW und bei der Kleinwasserkraft um 105 MW. „Gleichzeitig stieg die installierte Leistung in der Marktpreisbilanzgruppe im Bereich der Photovoltaik deutlich um 1.313 MW.
Entwicklung der von der OeMAG in der Ökobilanzgruppe abgenommenen Mengen von 2021 auf 2022 im Überblick:
- Windkraft -69%
- Photovoltaik -34%
- Kleinwasserkraft -56%
- Biomasse fest -81%
- Biogas -68%
Dabei gilt – wie schon erwähnt -, dass Mengen abseits der OeMAG für das Gesamtsystem Großteils nicht verloren sind, sondern aufgrund des hohen Marktpreises von ihrer Möglichkeit zur Selbstvermarktung Gebrauch machen. Aus der E-Control Betriebsstatistik geht dabei z.B. hervor, dass 2022 sogar 1.018 MW Photovoltaik zugebaut wurden.“, so Haber.
- Laufkraftwerke +127 MW
- Speicherkraftwerke +52 MW
- Windkraft +211 MW
- Photovoltaik +1.018 MW
- Biogas +0,6 MW
Ökostromvergütung leicht gesunken
Der Rückgang der in der Ökobilanzgruppe abgenommenen Ökostrommengen spiegelt sich auch in den gesunkenen ausbezahlten Förderungen wider. So sank das im Jahr 2022 ausbezahlte Vergütungsvolumen auf 666 Mio. Euro (-247 Mio. Euro). Das Vergütungsvolumen ist die Summe der ausbezahlten Einspeisetarife und enthält somit den Marktwert des abgenommenen Stroms. Das errechnete Unterstützungsvolumen, welches die tatsächliche Förderung über dem Marktwert hinaus zeigen soll, belief sich im Jahr 2022 auf -109 Mio. Euro. „Hierbei steht dem Rückgang des Vergütungsvolumens der deutlich gestiegene Marktpreis entgegen. Verglichen mit dem angesetzten Marktpreis von 2021 ergibt sich dadurch ein Effekt von 465 Mio. Euro[1].“, erläutert der Vorstand der E-Control, Wolfgang Urbantschitsch, weitere Details aus dem EAG-Monitoringbericht. Der den Berechnungen zugrunde gelegte Marktpreis stieg dabei von 107 (2021) auf 261 Euro/MWh im Jahr 2022.
Anstieg bei den Energiegemeinschaften
Um die Anzahl und regionale Verteilung von Energiegemeinschaften zu dokumentieren, wurde von der E-Control erneut eine Abfrage bei den österreichischen Netzbetreibern durchgeführt.
Mit Ende 2021 waren fünf Erneuerbare-Energiegemeinschaften (EEG) und eine Bürgerenergiegemeinschaft (BEG) in Betrieb. „Betrachtet man den Berichtszeitraum 2022, so waren mit 31.12.2022 bereits 161 Erneuerbare-Energiegemeinschaften und vier Bürgerenergiegemeinschaft in Betrieb. Drei der vier BEG waren im Netzgebiet der Wiener Netze GmbH tätig und eine im Netzgebiet der Kärnten Netz GmbH.“, erläutert Urbantschitsch.
Tabelle: Energiegemeinschaften Bundesländer; Quelle: E-Control
Gleichzeitig wurde zusätzlich abgefragt, ob und wie viele Energiegemeinschaften bis 30.06.2023 im Netzgebiet der jeweiligen Netzbetreiber tätig waren. Dabei kam es in diesem Zeitraum zu einem Anstieg auf 28 BEGs. Im Bereich der EEGs kam es zu einem deutlichen Anstieg auf 675 EEGs. Dabei waren es 209 lokale und 466 regionale EEGs.
„Unter den gegebenen Bedingungen können diese Zahlen durchaus als beachtlich bewertet werden, vor allem die Dynamik des 1. Halbjahres 2023. Mit Inkrafttreten des EAG gab es für Energiegemeinschaften wenig konkrete Erfahrungswerte hinsichtlich einer möglichen Umsetzung. Gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen haben als Anhaltspunkt gedient, aber konnten andererseits auch wieder nicht direkt auf Energiegemeinschaften umgelegt werden.“, ist Urbantschitsch überzeugt. Für die Unterstützung bei der Umsetzung wurde die Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften[2] gegründet. Mittlerweile konnte diese sehr viele Erfahrungswerte sammeln und hat diverse Leitfäden und Informationsmaterial veröffentlicht.
„Es gilt, basierend auf den Erfahrungen der Vergangenheit, die gesetzlichen Grundlagen von Energiegemeinschaften zu adaptieren bzw. in anderen Bereichen klarere Regelungen zu finden. Gerade für Energiegemeinschaften spielen dabei zeitnahe und korrekte Abrechnungsdaten eine zentrale Rolle. Demgegenüber steht die technische Realität, dass Daten nicht immer zu 100% verfügbar sind. Unabhängig von der Teilnahme an einer Energiegemeinschaft müssen hier jedoch Regelungen spezifiziert werden, die im Einklang mit dem Strommarktdesign stehen.“, fordert Urbantschitsch.