Intelligente Netze als Schlüssel zur Energiezukunft

Foto: Stromnetz

Mit der Energiewende hat sich auch die Rolle der Verteilernetze grundlegend verändert. Sie sind zur Datendrehscheibe geworden und bilden neben dem Übertragungsnetz das Rückgrat des Stromsystems der Zukunft. Damit sie diese Aufgabe auch erfüllen können, müssen die Energienetze digital aufgerüstet werden. Dafür brauchen sie die nötigen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen. „Das Stromsystem der Zukunft braucht intelligente Netze, sie sind der Schlüssel zur Energiewende“, erklärte der Geschäftsführer von Netz Niederösterreich, Werner Hengst, anlässlich des Energiepolitischen Hintergrundgesprächs des Forums Versorgungssicherheit am 2. Juni 2022. Die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, verwies auf die wachsende Zahl an Aufgaben für die Verteilernetze: „Sie müssen im Stromsystem der Gegenwart und der Zukunft komplexe Vorgänge managen. Sie müssen große Mengen an Daten verarbeiten und auswerten, damit die Vorteile der Energiewende bei den Verbrauchern ankommen.“

Die Digitalisierung der Netze wird durch das Zusammentreffen mehrerer Faktoren vorangetrieben, führte Netz-NÖ-Geschäftsführer Werner Hengst aus. Zum einen unterliegen Wind- und Sonnenstrom großen natürlichen Schwankungen, die durch das Netz ausgeglichen werden müssen. Zum anderen wird das Stromsystem durch die Energiewende dezentral. An die Stelle einiger weniger Großkraftwerke tritt eine Vielzahl von kleineren und mittleren Erzeugern. Dazu kommt, dass die Grenzen zwischen Erzeugern und Verbrauchern verschwimmen, weil immer mehr Haushalte eigene Photovoltaik-Anlagen haben und – je nach Bedarf – entweder Strom ins Netz einspeisen oder aber Strom aus dem Netz beziehen. Durch die neuen Energiegemeinschaften kommen neue herausfordernde Aufgaben dazu.

„Es wird immer mehr darauf ankommen, den Verbrauch intelligent zu steuern, sodass Lastspitzen vermieden werden können“, betont Hengst.

Im Energiesystem der Zukunft werden nicht zuletzt die heute noch getrennten Sektoren Strom, Gas und Wärme integriert werden. Wenn zum Beispiel an heißen, windigen Tagen Stromüberschüsse produziert werden, kann diese Energie via Elektrolyse zu klimaneutralem Gas umgewandelt und so gespeichert werden. Das grüne Methan kann entweder in die bestehende Gasinfrastruktur zurückgeführt, oder wieder zur Stromerzeugung genutzt werden. Bei allen diesen Umwandlungen spielen leistungsfähige Netze die zentrale Rolle.

Intelligente Zähler und virtuelle Kraftwerke

Basis für die digitalen Netze der Zukunft bilden die Smart Meter, die intelligenten Stromzähler, die in den letzten Jahren in ganz Österreich anstelle der alten analogen Stromzähler eingebaut wurden und in manchen Regionen noch eingebaut werden. Die Stromkunden können, wenn sie das wünschen, diese Daten nutzen, um ihren Stromverbrauch kostenoptimiert zu steuern. „Intelligente Zähler machen Kundinnen und Kunden zu aktiven Teilnehmern der Energiezukunft“, so Hengst.

Digital aufgerüstete Netze ermöglichen außerdem die Bildung von sogenannten virtuellen Kraftwerken. Viele kleine Erzeuger können durch die Netzbetreiber so zusammengeschaltet werden, dass sie wie ein großes Kraftwerk agieren. Das heißt, dass dieser Schwarm an Erzeugern auf Schwankungen im Netz so reagieren kann, als würde ein Großkraftwerk zu- oder abgeschaltet.

Neue Aufgaben für intelligente Netze

Durch die Digitalisierung können die Netze auch neue Aufgaben übernehmen, die das Stromsystem insgesamt effizienter machen. Dazu gehört etwa das Verbrauchs-Management, wie Hengst ausführte: „Wenn die Konsumenten dem Netzbetreiber die Möglichkeit geben, die Stromzufuhr zu regulieren, zum Beispiel beim längeren Aufladen eines E-Mobils oder beim Optimieren der Warmwasseraufbereitung, dann werden Spitzenbelastungen vermieden, ein zusätzlicher Netzausbau wird erst später nötig, was insgesamt die Stromkosten senkt.“

Darüber hinaus könnten die Netze entlastet und Kapazitäten freigemacht werden, wenn die Netzbetreiber in erhöhtem Ausmaß das Recht erhalten, Lastspitzen bei PV-Anlagen abzuregeln. „Die Praxis zeigt: Leistungsspitzen werden nur selten erreicht: Im Bereich von 75 – 100 % der Leistung liegen nur 3 – 5 % der erzeugten Jahresmenge.“, erläutert Hengst.

Die Stromerzeugung aus Sonne und Wind ist sehr hohen Schwankungen ausgesetzt. Eine dynamische Leistungsregelung würde dafür Sorgen, dass die Netze nicht mehr die Maximalkapazität in Höhe der nur selten auftretenden besonders hohen Leistungsspitzen vorhalten müssen. Gerade bei der anhaltend starken Nachfrage nach PV-Einspeisung wäre dies eine wirksame Maßnahme, um möglichst viele PV-Anlagen schnell ans bestehende Netz anschließen zu können.

Bessere Rahmenbedingungen

Hengst erneuerte die schon länger bestehende Forderung der Verteilernetzbetreiber nach dynamischen Netztarifen. Jener Teil des Strompreises, der nicht vom Verbrauch abhängt, sondern für die Belastung des Netzes eingehoben wird, sollte künftig je nach maximaler Leistung gestaffelt werden. Verbraucher, die hohe Leistuungen benötigen, weil sie zum Beispiel ihr E-Mobil schnell laden wollen, sollen für die Netzbeanspruchung entsprechend auch mehr zahlen. Hengst: „Davon würde ein Anreiz zu netzschonendem Verbraucherverhalten ausgehen, es wäre ein Schritt in Richtung Verursachergerechtigkeit und erspart zudem einen vorzeitigen Netzausbau.“

Das Forum Versorgungssicherheit ist die gemeinsame Plattform von fünf Verteilernetzbetreibern: Wiener Netze, Netz Niederösterreich, Netz Burgenland, Linz Netz und Netz Oberösterreich.

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