Ein Teil des im November startenden Lehrganges „Greenskills: Nachhaltiges Bauen“ befasst sich mit kurzen Wegen durch Materialienauswahl. Die Lehrgangsleiterin Architektin Constance Weiser dazu:
In Gegenden, wo Lehm verfügbar ist, wäre es eigentlich extrem naheliegend, den genauso (wie in Aspern den Donauschotter) zu nutzen. So wie das früher auch gemacht wurde, wo einfach der Lehm aus der Baugrube verarbeitet wurde, da er ein sehr häufig vorkommender lokal verfügbarer Baustoff war. Denn nicht nur in Wien und dem ganzen Osten von Österreich existierte eine starke Lehmbau-Tradition, bevor die industrielle Revolution dann die Produktion gebrannter Ziegel forcierte. Das hat dem Lehmbau zwar auch das ursprüngliche „Arme Leute“-Image beschert, doch sind diese Häuser extrem resilient.
Pioniere
Was der Architekt Andreas Breuss, den der Lehrgang im November im Rahmen einer Exkursion besuchen wird, selber erleben durfte, als er ein 50 Jahre leer stehendes Gebäude adaptierte, das sich in der ganzen Zeit quasi selber reguliert hatte. Denn einer der Vorteile von Lehm ist, dass er in Innenräumen ein unglaublich gutes Raumklima schafft, da er die Feuchtigkeit reguliert. Doch er ist auch ein Klimapuffer -sprich Speichermasse-, neutralisiert Gerüche und schirmt Elektrosmog ab. Und er ist, solange er eben nicht gebrannt wird – also als Ziegel endet, immer wieder verwendbar. Da war nichts schimmelig oder stickig, sondern brauchte einfach „nur“ eine grundlegende Reaktivierung und Ergänzung mit aktuellen Elementen, die neue Akzente gesetzt haben.
Doch muss man bei natürlichen Materialien einfach auch wissen, wie man mit ihnen umgeht. Und dieses Wissen ist gerade beim Lehm über einen langen Zeitraum leider verloren gegangen. Da wurden und werden alte Gebäude oft leider mit den falschen, herkömmlichen Baumaterialien (wie Zement oder Styropor) saniert, was diese Gebäude faktisch ruiniert, da sie dann nicht mehr „atmen“ können, bzw. eben feucht werden, weil sie nun wie unter einem Regenmantel anfangen zu „schwitzen“, Schimmel ansetzen, etc.
Doch Lehmbau-Pioniere wie Roland Meingast, den wir auch im Rahmen einer Exkursion besuchen, haben dieses Wissen gesichert und wieder reaktiviert, bzw. mit aktuellen Methodenwissen ergänzt. Das Wissen zu all dem ist also verfügbar. Doch es muss auch wieder zu den Planer*innen und zu den Ausführenden, den Verarbeitern bzw. auch zu den Baubeauftragten potentiellen Auftraggebern kommen.
Bei Holz ist es ähnlich, da wir dieses Material in Österreich einfach in ausreichender Menge zur Verfügung haben. Und es ist als nachwachsender Rohstoff einer, der auch noch CO2 bindet und wenn er entsprechend (ohne Leim-Bindemittel) verarbeitet wird, auch immer wieder in Einsatz gehen kann. Doch muss man dabei einfach ein paar Grundprinzipien wissen und schon in der Planung berücksichtigen, um alle Vorteile des Holzbaus, wie beispielsweise den hohen Vorfertigungsgrad auch wirklich gut nutzen zu können.
Ein aktuelles Projekt, das sich dieser Wissensvermittlung annimmt ist „Nach Plan Bauen“: eine Online-Plattform und Datenbank rund um das Thema Nachhaltiges Planen und Bauen, das als Wissensdrehscheibe die verschiedensten Aufbauten anbietet, damit auch jene, die bisher nur mit konventionellen Baumaterialien gearbeitet haben, eine sichere Grundlage bei der Anwendung ökologischer Baustoffe haben. Einer der treibenden Kräfte, die dahinter stehen, ist der Architekt Martin Aichholzer, der sich nicht nur an der FH mit dem Masterlehrgang green building sondern auch in verschiedenen Forschungsprojekten sowie bei einem aktuellen Wohnbau in Holz-Hybridbauweise seines Büros dafür einsetzt, dass wieder ökologischer gebaut wird und das Wissen dafür in die Breite kommt.
So hat er übrigens, gemeinsam mit Erwin Schwarzmüller, auch das größte österreichische Strohballengebäude, das Haus des Lernens in St. Pölten geplant. Als eine Besonderheit wurde dieses Gebäude im Rahmen der Weiterbildungsmaßnahmen der GESA von den Auszubildenden im Inneren quasi selbst ausgebaut: von der Dämmung mit Stroh bis zum Lehmputz. Wir werden dieses Gebäude ebenfalls im Rahmen des greenskills Lehrgangs besuchen und bei der Baupraxis werden auch wir mit Holz, Stroh, Lehm und Kalk ein prototypisches Wandelement in Cut-Technik errichten.
EU-Taxonomie
Ein wesentliches Hebel-Moment wäre, wenn das Bauen mit nachwachsenden ökologischen Materialien gefördert würde, damit sich dieses gesunde zukunftsweisende Bauen für die Beteiligten auch monetär „auszahlt“, bzw. sie zumindest über die Bewertungs-Tools besser eingestuft werden. Denn wie an der EU-Taxonomie zu sehen ist, bewegen sich die verschiedenen Akteur*innen vor allem dann in Richtung nachhaltigerer Vorgehensweisen, wenn aus der Handlung eine bessere Bewertung zu erwarten ist, bzw. sie sonst womöglich überhaupt die Kreditwürdigkeit verlieren würden.
In diesem Hinblick bietet die Taxonomie-Verordnung durchaus Potential, durch eine derartige Verpflichtung viele große Player zu erreichen. Doch könnte mit einer Variante dieses Modell evtl. auf das Bausparen erweitert werden, wenn die Auszahlung der staatlich geförderten Bauspar-Prämie nämlich an nachhaltiges Bauen bzw. die Verwendung von NaWaRo´s beim Bauen oder Sanieren gekoppelt würde. Das würde auch das Ziel von mehr Gesundheit der Bewohner*innen einen Schritt weiter bringen.
Gebrauchsanleitung für Häuser
Und ein weiteres wichtiges Element, um Ressourcen zu sparen, ist die Kreislaufwirtschaft. Das beginnt schon damit, die Gebäude so zu planen, dass sie so langlebig, robust und auch so flexibel wie möglich sind, um möglichst lange in Nutzung zu bleiben, bzw. adaptiert werden können. Doch gleichzeitig sollten ihre Elemente im Fall des Falles auch leicht demontiert, zerlegt und wieder verwendet werden können, bzw. jedes Gebäude eine Art „Gebrauchsanleitung“ und ein Verzeichnis der verwendeten Materialien haben. Das dient dann dem „Urban Mining“, was nichts anderes bedeutet, als dass unsere Gebäude gleichzeitig die Rohstofflager der Zukunft sind, bzw. dass wir beim Abbruch von Gebäuden immer auch derart präzise agieren sollten, dass die „Wertstoffe“ wieder in Gebrauch kommen und im besten Fall nicht zerkleinert oder geschreddert werden müssen, sondern in ihrer bisherigen Nutzung wieder verwendet werden oder sogar durch einen Design- oder Upcycling Prozess an Wert gewinnen.
Es gibt dabei schon einige Vorreiter, die sich mit dieser Ressourcen-schonenden Thematik befassen: Das „Baukarussell“ baut mit einem sozial ökonomischen Betrieb und einem engagierten Team re-use-fähige Bauteile aus und macht sie in einem Bauteilkatalog verfügbar. Oder die „Materialnomaden“, die in Kooperation mit „Bauteiler“ sowie mit dem Generalplaner ATP architekten ingenieure für den Neubau von magdas Großküche von der Caritas ganze Bauteile wie Türen, etc. wieder verwendet haben. Letztere haben mit dem CO2-Tool sogar ein innovatives, digitales Werkzeug entwickelt, das bei integraler Planung schon in frühen Projektphasen ermöglicht, die Emissionswerte von verschiedenen Konstruktions-Varianten zu bewerten, um so den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes möglichst gering zu halten.
Inhalt: Arch. Constance Weiser
Foto: greenskills
Zum Lehrgang “Greenskills Nachhaltiges Bauen” & Anmeldung: https://www.greenskills.at/allgemeines_ueber_den_lehrgang/nachhaltiges-bauen/