Österreich: 100 Mio. € jährlich für Ausstieg aus russischem Erdgas

Foto: Gasspeicher Haidach © Astora

Weitere gesetzliche Maßnahmen zur Sicherung der Gasversorgung in Österreich hat der Nationalrat beschlossen. Dabei geht es etwa um die Anbindung des Gasspeichers Haidach an das österreichische Gasnetz und die behördliche Entziehung ungenutzter Speicherkapazitäten. Zudem sollen bis zum Jahr 2025 jeweils 100 Mio. € pro Jahr für Unternehmen bereitgestellt werden, um den Ausstieg aus russischem Erdgas zu fördern. In einem mitbeschlossenen Abänderungsantrag der Koalitionsparteien zur Gaswirtschaftsgesetzesnovelle geht es Lukas Hammer (Grüne) zufolge vor allem darum, dass bei schwerwiegenden Verstößen gegen gesetzliche Verpflichtungen das Speicherunternehmen seine Rechte als solches verlieren soll. Das sei etwa der Fall, wenn nicht bis 1. Juli des Jahres mindestens 10% des Speichers gefüllt sind, so Hammer. Den Erläuterungen zufolge werden unter anderem auch die zeitlichen Auflagen für die Anbindung bisher nicht angeschlossener Anlagen wie jene in Haidach gestrafft. So soll der Antrag auf Netzzugang und Netzzutritt nunmehr innerhalb eines Monats ab Inkrafttreten der Regelungen gestellt werden müssen.

In der Minderheit blieben zwei in der Sitzung eingebrachte Entschließungsanträge. Die NEOS forderten von der Bundesregierung einen umfassenden Aktionsplan für den Ausstieg aus russischem Gas. Die SPÖ setzte sich für die Abschöpfung von Übergewinnen von Energiekonzernen in Österreich ein.

Novelle zum Gaswirtschaftsgesetz

Mit dem mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommenen Initiativantrag der Koalitionsparteien, der Novelle zum Gaswirtschaftsgesetz, sollen unter anderem nunmehr sämtliche Speicheranlagen in Österreich bzw. damit auch jene in Haidach zum Anschluss an das österreichische Leitungsnetz verpflichtet werden, führte Energieministerin Leonore Gewessler aus. Ungenutzte Speicherkapazitäten sollen vom Speichernutzer unverzüglich anzubieten oder zurückzugeben sein. Dieses “Use it or lose it”-Prinzip halte sie für das gelindeste Mittel, das Ziel zu erreichen, dass auch in Haidach der Speicher befüllt wird, so Gewessler. Der Teil, der dort von Gazprom verwaltet werde, stehe derzeit leer. In der aktuellen Situation müsse aber alles daran gesetzt werden, dass alle Speicher bis zum kommenden Winter befüllt sind. Durch die bereits gesetzten Maßnahmen seien mittlerweile bereits wieder ein Drittel des Jahresverbrauchs in den Speichern Österreichs vorhanden. Eine in der nunmehrigen Novelle enthaltene Ermächtigung zum Abschluss von Ressortübereinkommen betrifft laut Ministerin Gewessler vor allem die Verständigung Österreichs und Deutschlands über die Nutzung der Anlage in Haidach.

Alois Schroll (SPÖ) bemängelte zwar, dass die Bundesregierung das Thema Versorgungssicherheit erst jetzt ernst nehme. Das alle Anlagen angeschlossen und sämtliche Kapazitäten genutzt werden müssen, sei gut, signalisierte Schroll Zustimmung, zumal mit der Abänderung einige Verbesserungsvorschläge aufgenommen worden seien.

Dass die Anlage in Haidach an das Netz angeschlossen werden soll, sei im Sinne der Versorgungssicherheit zu unterstützen, so Walter Rauch (FPÖ). Erwin Angerer (FPÖ) attestierte der Bundesregierung aber verantwortungsloses Handeln, zumal aus seiner Sicht das Leerstehen des Speichers in Haidach im Hinblick auf die Gazprom eine klare Reaktion auf die Sanktionen gegen Russland darstelle. Dem widersprach Lukas Hammer (Grüne), die Gazprom habe schon lange vor dem Ukraine-Krieg kein Gas mehr in Haidach eingespeichert. Karin Doppelbauer (NEOS) wiederum sieht den leeren Speicher sehr wohl als “geplanten Schachzug” im Vorfeld des Ukraine-Krieges. Außerdem halte sie die heutigen Beschlüsse für reine Notfallmaßnahmen. Offen bleibe immer noch die Frage, woher das Gas kommen soll.

Insgesamt gelte es, alles daran zu setzen, sich aus der Abhängigkeit von Öl und Gas zu befreien, erklärte Lukas Hammer (Grüne). Es brauche aber eine sozial-ökologische Transformation und keine “Schocktherapie” auf dem Weg zur Energiewende. Der Speicherstand bei der OMV als größter Speicheranlage in Österreich betrage derzeit 55%. Durch den Leerstand in Haidach als zweitgrößtem Speicher gebe es diesen Handlungsbedarf jetzt.

Tanja Graf (ÖVP) wies ebenso wie Christoph Stark (ÖVP) auf das “Use it or lose it”-Prinzip hin. Mit dem Abänderungsantrag werde auch sichergestellt, dass im Fall von ungenutzten Speicherplätzen für Unternehmen und Speicherbenutzer Gleiches gelte, so Graf. Die Novelle stelle eine energiepolitische Notmaßnahme für den Standort dar, erläuterte Stark, der sich darüber hinaus auch für einen Netzausbau für die heimische Energiewirtschaft aussprach.

Ausstieg aus russischem Erdgas mit 100 Mio. € pro Jahr

Jeweils 100 Mio. € werden in den Jahren 2022 bis 2025 als Ausgleich für die Mehrkosten beim Ausstieg aus russischem Erdgas für Unternehmen bereitgestellt. Das diesbezügliche Gasdiversifizierungsgesetz 2022 haben die Abgeordneten heute mehrheitlich beschlossen. Abgezielt wird auf eine Erdgas-Diversifizierung und auf die Umrüstung von Anlagen auf den alternativen Betrieb mittels anderer Energieträger.

Den Erläuterungen zufolge geht es beispielsweise um Kosten von Unternehmen für Leitungsrechte beim Transport von Erdgas nicht-russischer Herkunft nach Österreich. Die Fördermaßnahmen sollen weiters Mehrkosten für den Einsatz von nicht-russischem Erdgas betreffen, sofern nicht dadurch klimafreundliche, erneuerbare Energieträger bzw. Fernwärme ersetzt werden. Gefördert werden soll außerdem die Umrüstung von Energieerzeugungsanlagen in der Industrie und der Energiewirtschaft. Die näheren Details für den Einsatz der Mittel, zum Ablauf des Verfahrens etc. sind in noch zu erlassenden Richtlinien festzulegen. Ministerin Gewessler betonte, dass diese Förderungen wichtig für die Reduktion der Abhängigkeit von russischem Gas seien. Tanja Graf (ÖVP) betonte ähnlich wie Lukas Hammer (Grüne), dass mit den Maßnahmen ein Anreiz für den Ausstieg aus russischem Gas gesetzt werden soll. Es gehe um die damit verbundenen Kosten von Unternehmen.

Rudolf Silvan kritisierte seitens der SPÖ unter anderem, dass erst erarbeitet werden soll, wer die in Summe 400 Mio. € konkret bekommt. Außerdem sprach er sich im Zusammenhang mit einem Entschließungsantrag dafür aus, Übergewinne von Energiekonzernen in Österreich abzuschöpfen und die Steuereinnahmen für die Finanzierung von Anti-Teuerungsmaßnahmen und den Ausbau von erneuerbaren Energien zweckzuwidmen. Bereits abgeschlossene Verträge für russisches Gas müssten trotzdem bezahlt werden, kritisierte Erwin Angerer (FPÖ), dass die 400 Mio. € “verschleudert” und damit ein wirtschaftlicher Schaden für die eigene Wirtschaft angerichtet würde. Auch Karin Doppelbauer (NEOS) bemängelte die bestehenden Verträge als “Milliardenrisiko”, zumal das Gas auch dann bezahlt werden müsse, wenn es gar nicht abgenommen werden sollte. Gerald Loacker (NEOS) warf im Hinblick auf die Versorgungssicherheit der Bundesregierung Zögern und damit Verunsicherung vor. Eine schlechte Bilanz stelle aus seiner Sicht bisher dar, dass in Österreich in den letzten Monaten nicht gelungen sei, von der hohen Abhängigkeit zu 80% von russischem Gas herunterzukommen. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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