Kritik am Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) in Österreich hat nun Gottfried Kneifel, Geschäftsführer der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ (IWS), geäußert. Der Energieexperte meint, dass die gesetzten Ziele bis 2030 bzw. 2040 keinesfalls erreichbar seien. „Wir müssen uns sehr kritisch zum jüngst vorgelegten Entwurf des Nationalen Energie- und Klima-Planes melden, weil nach Prüfung unserer Experten keines der im NEKP vorgegebenen Ziele erreichbar sein wird,“ stellt Kneifel fest und er fordert zugleich mehr kritischen Journalismus in Technologie-, Klima- und Energiefragen ein. „Bei allen Bemühungen, den Klimawandel zu bekämpfen, dürfen dabei die physikalischen und logischen Gesetze nicht völlig außer Kraft und durch Ideologie und Wunschdenken ersetzt werden.“
DI Bruno Lindorfer, Energie-und Klimaexperte der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ, betont, es sei unverständlich, dass die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler die ohnehin schon schwer erreichbaren Ziele der EU im Entwurf nochmals verschärft hat. Nach Lindorfers Meinung sind zumindest Teile von Gewesslers Klima-Zielen nicht sinnvoll, z. B. das Ziel „Bilanziell“ über ein Jahr 100 Prozent erneuerbaren Strom in Österreich:
100 Prozent erneuerbaren Strom in Österreich bis 2030 kann man, wenn man Photovoltaik (PV) massiv ausbaut – was theoretisch möglich wäre – nur „bilanziell“ erreichen. Bilanziell heißt summarisch über das ganze Jahr. Das bringe aber wenig: Denn mehr als 75 Prozent des PV-Stromes fallen in den Monaten März bis September an, von Oktober bis Februar ist der Ertrag des PV-Stromes aber weniger als 25 Prozent. Wenn wir in Österreich die Heizungen auf elektrische Wärmepumpen umstellen, wie BM Gewessler will, brauchen wir den Großteil des Stromes aber in den Monaten November bis Februar. Daher die Zielsetzung „100 Prozent aus erneuerbarem Strom bilanziell übers Jahr“ nicht sinnvoll, im Gegenteil, der massive Ausbau des PV-Stromes wird zu massiven Stromüberschüssen in den Sommermonaten führen, die nicht genutzt und nicht für den Winter gespeichert werden können.
„Wenn wir PV massiv ausbauen, dann ertrinkt Österreich ab ca. 2028 im Sommer an PV-Strom – den wir im Sommer auch nicht exportieren können, denn im Sommer werden künftig alle Länder, die PV ausbauen, in Überschuss-Strom ertrinken!“, präzisiert Lindorfer.
Österreich wird in den Monaten November bis Februar noch lange einen Mangel an erneuerbarem Strom haben. Gewesslers derzeitiger massiver Druck auf Heizen mit elektrischen Wärmepumpen sollte daher sinnvollerweise nur im Gleichklang mit der Steigerung der erneuerbaren Stromerzeugung in den Monaten November bis Februar vorgegeben werden. Viel PV‑Strom im Juli hilft den Wärmepumpen im Dezember gar nichts.
Weiterhin Import von Kohle- und Atomstrom nach Österreich
Derzeit importiert Österreich in den Monaten November bis Februar relativ viel Kohle- und Atomstrom aus dem Ausland (Deutschland, Tschechien, Polen etc.). Das wird 2030 höchstwahrscheinlich nicht mehr möglich sein, denn alle EU-Länder müssen massiv aus Kohlestrom aussteigen und der Neubau von AKWs dauert ca. 15 Jahre – also frühestens 2023 + 15 = 2038! Laut Ansicht aller Energie-Experten wird der Stromverbrauch bei der Klima-Neutralität in allen EU-Ländern mit Klima-Neutralität um einen Faktor ca. 2.5 steigen, vor allem im Winter – elektrische Wärmepumpen, E-Autos, Umstellung der Stahlindustrie, der Zementindustrie und der chemischen Industrie auf Grünen Wasserstoff aus erneuerbarem Strom.
Der Stromverbrauch Österreichs betrug 2022 ca. 74 TWh, das waren aber nur ca. 20 Prozent des gesamten Primär-Energieverbrauchs, der immer noch zu ca. 75 Prozent aus fossilen besteht (Anteile am österr. Primär-Energieverbrauch 2022: Öl ca. 40 Prozent, Erdgas ca. 28 Prozent, Kohle ca. 7 Prozent). Bei Erreichen der Klima-Neutralität (2040?) wird der Verbrauch an erneuerbarem Strom in Österreich ca. 180 TWh betragen (+/- 25 Prozent, je nach Entwicklung der Wirtschaftskonjunktur).
Die VOEST alleine wird künftig für die Grüne Stahlherstellung mit Grünem Wasserstoff ca. 33 TWh erneuerbaren Strom brauchen, das ist schon sehr viel (ca. doppelt so viel, als wenn alle ca. fünf Millionen PKW in Österreich auf e‑Autos umgestellt wären)!
Es besteht aufgrund der strengen CO2‑Regeln der EU die Gefahr, dass die sehr energie‑intensive Flüssigphase der Stahlerzeugung aus der EU in weniger umweltbewusste Nicht‑EU‑Länder verlagert wird. Der globalen Erwärmung würde das aber nichts helfen, denn die VOEST ist eines der saubersten Stahlwerke und der Stahl würde dann halt ab 2040 in dreckigeren Stahlwerken in China oder der Ukraine erzeugt. Bei der chemischen Industrie und der Zementindustrie ist das ähnlich.
Details zur Energie-Wende unter ttps://iwsooe.at/energiewende-in-oesterreich-in-der-eu-und-global/