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„Das Wesentliche ist die letzte Meile“
Georg Kapsch, CEO Kapsch TrafficCom AG, betont im UmweltJournal-Gespräch, dass sich die Fortbewegungsarten der näheren Zukunft trotz zahlreicher Umbrüche gar nicht so stark verändern werden, wie viele herbeireden. Die entscheidenden Unterschiede würden vielmehr im Mix und in der Gewichtung der Verkehrsträger liegen. Das Potenzial für einen tiefergreifenden Wandel sieht Kapsch jedoch mit der Integration von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz in den Mobilitätssektor.
„Wir dürfen nicht außer Acht lassen,
dass jede technologische Neuerung
dem Menschen dienen soll
und nicht umgekehrt.“
Georg Kapsch
UJ: Henry Ford hat einmal gesagt: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.“ Stehen wir heute hinsichtlich Mobilität an einem ähnlichen Wandelpunkt (wie zu Fords Zeiten), an dem wir uns noch gar nicht richtig vorstellen können, wo die Reise hingeht?
Kapsch: Diese Frage werden einmal Historiker beantworten. Die Tragweite großer Wendepunkte erkennt man ja meist erst retrospektiv. Ich denke, es handelt sich aber nicht um einen Bruch oder eine Revolution. Dies ist eine „Evolution“, aber zugegebener Maßen eine mit sehr hoher Geschwindigkeit. Aber Sie haben recht damit, dass wir in einer Zeit leben, in der erkennbar vieles in Bewegung ist und wir teilweise noch gar nicht abschätzen können, wohin das alles führen wird. Ungeachtet dessen verhält es sich so, dass wir Entwicklungslinien erkennen, Megatrends wahrnehmen, gleichsam die Tiefenströmung des Wandels ausmachen können. Wir treffen unsere Entscheidungen auf Basis eben dieser Megatrends gepaart mit Grobanalysen und unserem Gefühl für Märkte und Technologien, das uns bisher noch nie im Stich gelassen hat.
Wie bewegen Sie sich selbst fort?
Ich bewege mich gar nicht so anders als die große Mehrheit unserer Gesellschaft. Mal mit dem Pkw, mal mit dem Flugzeug und selbstverständlich auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln und auch zu Fuß – je nach Erfordernis. Daran wird sich wohl kaum etwas ändern. Weder für mich noch für die große Mehrheit.
Gibt es eine Vision, die Sie persönlich von der Mobilität der Zukunft haben? Wie könnten wir uns beispielsweise im Jahre 2030 fortbewegen?
Die Art der Fortbewegung wird sich aufgrund der Einstellung der Menschen verändern. Die Frage ist, wie schnell. Das Wesentliche dabei ist die letzte Meile. Auf den ersten Blick werden wir uns voraussichtlich gar nicht so anders fortbewegen als heute. Was sich ändern wird, ist der Mix und die Gewichtung der Verkehrsträger. Die technologischen Neuerungen sollen dem Menschen unbemerkt dienen. Das Straßenbild des Jahres 2030 wird uns sehr vertraut sein. Der Unterschied wird in der Nutzung der Verkehrsmittel liegen. Die Mobilität der Zukunft im urbanen Raum wird eine Kombination aus allen zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln und Mobilitätsdiensten sein. Wie beispielsweise Bahn, U-Bahn, Bus und Straßenbahn sowie Car- oder Bike-Sharing-Diensten, Taxis und Fahrzeugen, die bei Bedarf gebucht werden können, „Mobility-as-a-Service“ nennen wir diese Leistung. Die Verkehrsteilnehmer und autonome Fahrzeuge benötigen dafür Echtzeitinformationen über die unterschiedlichen Verkehrsmittel und die multimodalen Alternativrouten sowie über die Buchung und Bezahlung der gewählten Leistungen. Das wird so selbstverständlich geschehen, dass für viele gar kein ursächlicher Bedarf an einem eigenen Auto, einem eigenen Fahrrad mehr bestehen wird. Eines unserer Tochterunternehmen, Streetline, erhebt Smart Parking Daten und erstellt mobile Anwendungen, die Autofahrer zu freien Parkplätzen führen. Das optimiert die Parkauslastung und reduziert Suche und Abgasbelastung.
Mobilität wird also jedenfalls smarter?
Ja. Interessant wird dabei, wie sehr künstliche Intelligenz das autonome Auto definieren wird. Darin liegt, neben einer Effizienzsteigerung und Optimierung der Mobilität, aller Wahrscheinlichkeit nach der größte Unterschied zu heute, denn das Fahrzeug wird im autonomen Betrieb Entscheidungen treffen müssen, die heute von physischen Personen getroffen werden.
Eines der großen Schlagworte im Mobilitätssektor ist ja gerade die Digitalisierung. Kapsch ist dabei einer der Vorreiter.
Welche Ihrer Innovationen werden in der nächsten Zeit den größten Impact haben?
Die eben angesprochene Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Fahrzeugen sowie ihrer Umgebung, „V2V“ und „V2I“ genannt, ist die notwendige Grundvoraussetzung Verkehr und Mobilität zu optimieren und zu organisieren. Auch im Besonderen dafür, dass Autos autonom werden. Erst, wenn wir sicher sein können, dass die Systeme eines Autos alle verfügbaren Informationen aufnehmen und gleich wieder teilen, wenn wir dafür Sorge tragen können, dass ein Auto den gesamten Straßenraum „im Blick“ hat und seinerseits dazu beiträgt, dass sich der Blick aller anderen Teilnehmer weitet, wenn sich das Auto dauerhaft kommunizierend in, mit und durch einen Datenstrom bewegt, dann wird autonomes Fahren eine realistische und sichere Option. Unsere Lösungen bieten dafür bereits heute die technologischen Voraussetzungen.
Automatisierung, Vernetzung, Digitalisierung ... Viele Menschen wissen gar nicht, wie viele neue Möglichkeiten da auf sie zukommen. Manche sind dabei auch überfordert. Wie bereitet man den grundsätzlich trägen Faktor Mensch auf diesen gewaltigen Change vor?
Der Mensch ist kein Faktor, sondern ein soziales Wesen und genau das ist der Punkt der Betrachtungsweise, indem man auf den Menschen viel mehr eingeht, als dies in der Vergangenheit in unterschiedlichen Bereichen gemacht wurde. Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass jede technologische Neuerung – egal ob Digitalisierung, Automatisierung, Vernetzung oder künstliche Intelligenz – dem Menschen dienen soll und nicht umgekehrt. Dann wird sich der Mensch auch in einer digitalen Welt wohlfühlen, sofern Datenschutz gewährleistet ist. Innovationen sollten die Benutzerfreundlichkeit erhöhen und damit das Leben der Menschen erleichtern und nicht erschweren.
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