Wie Umweltchemikalien sich auf die Gesundheit auswirken

Foto: Umwelt im Gespräch: Umweltchemikalien

Von Lebensmittelverunreinigungen und Umweltöstrogenen bis hin zu Pestiziden und Stoffen aus Verpackungsmaterialien: Der Mensch ist täglich Hunderten von Umweltchemikalien ausgesetzt. Wie beeinflussen diese Verbindungen die Gesundheit? Diese Frage diskutierten ExpertInnen auf der Veranstaltung „Umwelt im Gespräch“. Diese wurde vom Forschungsnetzwerk Umwelt / Environmental Sciences Research Network (ESRN) der Universität Wien organisiert.

Die Veranstaltung „In der Chemikalienwolke: Umwelteinflüsse und unsere Gesundheit“ lockte viele Interessierte in die Obere Kuppelhalle des Naturhistorischen Museums, Gastgeber der vom Forschungsnetzwerk Umwelt initiierten öffentlichen Diskussionsreihe. Das Forschungsnetzwerk der Universität Wien wurde kürzlich vom Rektorat für weitere sechs Jahre verlängert.

Die Redaktion von UMWELT JOURNAL hat für Sie die wichtigsten Aussagen und Zitate der Veranstaltung zusammengefasst:

Nicht zuletzt Initiativen wie Fridays for Future wie auch die Wahlprogramme der Parteien brächten deutlich zum Ausdruck: „Die Umwelt ist zurückgekehrt ins Bewusstsein der Gesellschaft“, sagte Thilo Hofmann, der Leiter des Forschungsnetzwerks Umwelt: „Heute erwartet uns ein Ausflug in die nicht sichtbare Umwelt: Wie wirkt das Exposom – also die Gesamtheit von Umwelteinflüssen ab der Zeugung eines Menschen bis zu seinem Tod – auf uns?“ Wie bei jedem Umwelt im Gespräch wolle man „Fakten zum Thema liefern, evidenzbasiert diskutieren und das Publikum zum Gespräch einladen“.

Regina Hitzenberger, Vizerektorin der Universität Wien, wies im Rahmen ihrer Begrüßung auf die Bedeutung fundierter Grundlagenforschung hin, um gesellschaftliche Herausforderungen im Umweltbereich angehen zu können – auch mit Blick auf ihren eigenen Forschungsbereich: „Holen Sie einmal tief Luft! Sie haben soeben etliche Milliarden Partikel eingeatmet, ungefähr 30 Prozent davon sind in Ihrem Körper geblieben“, sagte die Aerosolphysikerin. Das sei „das normale Aerosol“ – und auch wenn es nicht toxisch sei, „hat auch das einen Einfluss auf die Gesundheit“.

„Wo Sie leben, wie Sie leben und vor allem was Sie essen, hat einen großen Einfluss auf Ihre Gesundheit – nur 10 bis 30 Prozent des Risikos für Krankheiten ist genetisch bedingt, 70 bis 90 Prozent hingegen durch Umwelt, Nahrung und Lebensstil“, sagte Benedikt Warth, bioanalytischer Chemiker der Universität Wien und Impulsredner des Abends. Ein wichtiger Ansatz der Forschung zur Wirkung von Umweltchemikalien sei es, neben der Wirkung einzelner Stoffe vor allem auch die kombinatorische Wirkung der Stoffe im Körper zu untersuchen.

Um die verschiedenen Umwelteinflüsse messen zu können, müssen die ForscherInnen neue Methoden entwickeln. Am Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie der Universität Wien greifen sie auf hochempfindliche Geräte der Flüssigkeitschromatographie – Massenspektrometrie zurück. Damit war es jüngst möglich, ein Verfahren zu präsentieren, mit der man mehrere Umweltchemikalien gleichzeitig messen kann. Letztlich könne die Exposom-Forschung u.a. wichtige Grundlagen für die personalisierte Medizin und personalisierte Prävention liefern, sagte Benedikt Warth.

Claudia Gundacker von der Medizinischen Universität Wien zeigte auf, in welcher Form schwangere Frauen und ihr Fetus Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Im Rahmen des Human-Biomonitoring erfassen ForscherInnen die Schadstoffbelastungen in biologischen Proben wie Blut, Gewebe, Muttermilch etc. Bei schwangeren Frauen wie auch beim Fetus seien die Mechanismen, wie die Schadstoffe transportiert werden, von großem Interesse – und eine wichtige Grundlage, um darzulegen, ob die Zusammenhänge zwischen Schadstoffbelastungen und ihren Auswirkungen, z.B. auf Schwangerschaftserkrankungen, kausal sind.

„Auch Lebensmittel sind Chemie – nicht jede Chemikalienwolke ist schlecht“, sagte Doris Marko, Toxikologin der Universität Wien. Doris Marko verwies nochmals auf die hohen Standards für Lebensmittelsicherheit in der EU. Häufig basiere aber die Sicherheitsbewertung auf einer Einzelstoffperspektive – „man schaut nicht, was der Gesamtcocktail bewirkt“. Grundsätzlich gelte: „Die Dosis macht das Gift“, so die Vorständin des Instituts für Lebensmittelchemie und Toxikologie.

„Wenn ein Risiko identifiziert worden ist, hat man darauf reagiert.“ Thomas Jakl, Abteilungsleiter für Chemiepolitik und Biozide im Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, unterstrich seine Aussage mit historischen Beispielen – so habe man etwa auf die potenziellen Gesundheitsgefahren von FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) zügig und angemessen reagiert, FCKW stellten allerdings auch eine überschaubare Anzahl an Substanzen dar. Bei den schwer abbaubaren organischen Verbindungen sei das schon herausfordernder, bei den hormonell aktiven Substanzen werde in der EU aber sogar explizit das Vorsorgeprinzip angewandt. „Ja, mit der Mischungstoxizität müssen wir erst lernen umzugehen – aber ich bin zuversichtlich“, sagte Jakl.

Insgesamt warnten die ExpertInnen vor übertriebenem Alarmismus. Erst kürzlich hatte eine Erhebung gezeigt, wie unterschiedlich das Gefahrenpotenzial von Umweltchemikalien unter ForscherInnen einerseits und Gesellschaft, Ärzten, Medien andererseits eingeschätzt wird. Vom Nutzen und potenziellen Gefahren ätherischer Öle als Ersatz für industrielle Chemikalien, Nahrungsmittelergänzungsmitteln und Bio-Lebensmitteln bis hin zu Fragen nach den Schadstoffen aus dem Flugverkehr und Mikroplastik als prominente Schadstoffquelle – die Diskussion mit dem Publikum bildete eine breite Palette an Themen ab.

Grundsätzlich, so der Tenor der Diskussion, habe jeder Einzelne immer eine Wahl. Ein gesunder Zugang liege darin, eine abwechslungsreiche Ernährung und einen dosierten Umgang mit verschiedenen Umweltchemikalien zu pflegen.

Weitere Informationen finden Sie hier: Forschungsnetzwerk Umwelt / Environmental Sciences Research Network (ESRN).

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