EU-Mercosur-Abkommen wird als Greenwashing angeprangert

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Neu durchgesickerte Dokumente zeigen, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagene Zusatzvereinbarung zum EU-Mercosur-Abkommen nicht dazu beiträgt, Umwelt, Klima und Menschenrechte zu schützen. Die Zusatzvereinbarung offenbart eine starke Diskrepanz zwischen den Klimazielen und Menschenrechtsverpflichtungen der EU und dem, was sie mit dem Abkommen hinter verschlossenen Türen tatsächlich unterstützt.

“Statt echter Veränderungen, wie von der EU-Kommission angekündigt, bietet der EU-Vorschlag der gemeinsamen Zusatzvereinbarung vor allem Lippenbekenntnisse, die die Abholzung von Wäldern, den Klimawandel oder Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen nicht effektiv verhindern oder bekämpfen. Stattdessen fördert das EU-Mercosur-Abkommen noch mehr Güterhandel, der auf der Ausbeutung natürlicher Rohstoffe, der Vertiefung wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheiten und der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beruht”, sagt Bettina Müller, Handelsexpertin der deutschen NGO PowerShift e.V..

Einhaltung der Klimaziele nicht möglich

Die Punkte zum Thema Klima in der Zusatzvereinbarung sehen keine Durchsetzungsmöglichkeiten vor. Mit Blick auf diese Emissionsreduktionen wird vorgeschlagen, dass sich die Länder an ihren 2019 festgelegten nationalen Beiträgen orientieren sollen. In Brasilien beispielsweise sind die Emissionen in den letzten 3 Jahren stark angestiegen und mit dem Abkommen würden durch die Ausdehnung industrieller Landwirtschaft, Transport und Entwaldung noch weitere hinzukommen. Von massiver Reduktion ist unter diesen Umständen nicht zu sprechen. Dieser Mangel geht Hand in Hand mit schwachen Lippenbekenntnissen beim Thema Entwaldung: weder Europa noch die Mercosurländer halten sich aktuell an ihre Waldschutzziele. Die Zusatzvereinbarung sieht keine Mechanismen vor, um dies effektiv durchzusetzen. Das 1,5 Grad Limit rückt somit in immer weitere Ferne.

Zusatzprotokoll ohne Transparenz und demokratische Mitsprache

In dem Text wird auch behauptet, dass die Zivilgesellschaft ein wichtiger Akteur bei den Verhandlungen über das Abkommen sei und ihre demokratische Beteiligung geschätzt wird. Doch so wie bei vielen Abkommen zuvor, hat die Öffentlichkeit erst durch ein Leak die Möglichkeit von den Inhalten zu erfahren. Zugleich wurden die Wünsche der Lobbyisten aus der klimaschädlichen Automobil- und Agrarindustrie zu viel berücksichtigt. (1)

“Die geleakte Zusatzvereinbarung zeigt, dass keiner der Kritikpunkte der Zivilgesellschaft ernst genommen wird. Die Vereinbarung kann das grundlegende Problem des Abkommens nicht lösen. Der vor zwei Tagen vorgestellte IPCC Bericht zeigt deutlich: Wir brauchen jetzt mehr denn je einen tiefgreifenden sozial-ökologischen Umbau unserer Wirtschafts- und Lebensweise. Das EU-Mercosur-Abkommen verhindert die dringend notwendige Mobilitäts-, Agrar- und Energiewende in Europa und den Mercosur-Staaten. Wir als Zivilgesellschaft in Europa und den Mercosurländern fordern einen sofortigen Stopp dieses Abkommens”, sagt Theresa Kofler von der Plattform Anders Handeln.

Die Plattform Anders Handeln wurde initiiert von Attac, GLOBAL 2000, Südwind, den Gewerkschaften PRO-GE, vida und younion _ Die Daseinsgewerkschaft, der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung sowie der ÖBV-Via Campesina Austria und wird von rund 50 weiteren Organisationen unterstützt. (1) PowerShift. Mobilitätswende ausgebremst. Das EU-Mercosur Abkommen und die Autoindustrie. 2 June 2022.

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace schlägt Alarm: Wie befürchtet, sollen Verstöße gegen Umweltauflagen nach wie vor nicht sanktioniert werden. Das wäre jedoch fatal: Denn durch das Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern (Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay) soll der Handel mit umweltschädlichen Produkten wie Rindfleisch und Pestiziden massiv angetrieben werden. Hier ist es nicht unwahrscheinlich, dass Umweltschutz unter die Räder kommt. Nur mit echten Sanktionen könnte das verhindert werden. Für Greenpeace ist klar: Bundeskanzler Nehammer muss sich beim EU-Rat, der heute und morgen in Brüssel tagt, aktiv für ein endgültiges Aus von EU-Mercosur einsetzen.

“Die Zusatzerklärung zum Handelspakt EU-Mercosur ist reines Greenwashing. Sie soll einzig und allein dazu dienen, dem umweltschädlichen Handelsvertrag einen grünen Anstrich zu verleihen”, sagt Melanie Ebner, Landwirtschaftssprecherin bei Greenpeace in Österreich. Die Wälder Südamerikas, wie der Amazonas oder der Gran Chaco, werden durch die Zusatzerklärung nicht geschützt. Das wäre jedoch dringend notwendig, denn EU-Mercosur würde der Handel mit umweltschädlichen Gütern massiv antreiben: Laut einer Studie im Auftrag der französischen Regierung (https://act.gp/3ZrX0yF) würden etwa zusätzliche Rindfleisch-Importe im Mercosur-Raum zu einer weiteren Entwaldung von 700.000 Hektar führen. Das ist eine Fläche, die mehr als doppelt so groß ist wie das Burgenland. Greenpeace fordert Bundeskanzler Karl Nehammer auf, sich beim EU-Rat klar zu positionieren und dieses naturfeindliche Abkommen zu stoppen.

Seit dem Jahr 2000 wird das Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten verhandelt. 2019 wurden die eigentlichen Verhandlungen abgeschlossen. Das Abkommen steht seither unter heftiger Kritik, weil es Umweltzerstörung vorantreiben und die europäische Landwirtschaft einem unfairen Preiskampf aussetzen würde. Um Kritiker:innen zu besänftigen, verhandelt die EU-Kommission derzeit eine Zusatzvereinbarung mit den Mercosur-Ländern. Dieser wurde gestern von einer anonymen Quelle geleakt. Eine erste Analyse des Textes zeigt: Die Zusatzerklärung behebt die massiven Mängel des Abkommens nicht einmal ansatzweise.

Link zum geleakten Text: https://act.gp/40geEGw

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