Recyclingbaustoffverordnung: Schad- und Störstofferkundungen – ein Status Quo
In den letzten Jahren seit Inkrafttreten der Recyclingbaustoffverordnung kam es zu einem starken Anstieg der Nachfrage von Schad- und Störstofferkundungen von Abbruchobjekten. Trotzdem ist nach wie vor feststellbar, dass diese rechtlichen Anforderungen seitens Bauherren, Abbruchfirmen und Gutachter sehr unterschiedlich interpretiert und umgesetzt werden. Aus dieser Situation resultieren Konfliktpotenziale, mit Risiken für alle beteiligten Akteure.
TEXT: A. M. RAGOSSNIG
Die Zusammensetzung des Abfallaufkommens aus dem Jahr 2015 entsprechend Bundesabfallwirtschaftsplan 2017 zeigt, dass mehr als 70 Prozent der Abfälle (Bau- und Abbruchabfälle und Aushubmaterialien) aus Bautätigkeiten resultieren. Daher wurde dieser Industriesektor als prioritäres Handlungsfeld für abfallwirtschaftliche Maßnahmen festgelegt. Bei ordnungsgemäßer Umsetzung aktueller Regelungen stellen die Abfälle aus dem Bausektor ein großes Recycling-Potenzial dar.
Bereits im Abfallwirtschaftsgesetz 2002 wurde eine Verwertungspflicht (§ 16, Abs. 7 AWG 2002) für Baurestmassen, die bei Bautätigkeiten anfallen und verwertet werden können, festgelegt. Ebenso wurde auch bereits im Abfallwirtschaftsgesetz 2002 die Trennpflicht von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen gesetzlich verankert. Im Rahmen der Recyclingbaustoffverordnung wurden vor circa drei Jahren diese und weitere Regelungen konkretisiert, die ein verstärktes Recycling mineralischer Baurestmassen durch eine entsprechende Schad- und Störstoffentfrachtung vor dem maschinellen Abbruch sicherstellen sollen.
Erfahrungen aus der Praxis
In den vergangenen drei Jahren konnte ein eindeutiger Anstieg der Nachfrage nach Gutachterleistungen im Bereich von Schad- und Störstofferkundungen festgestellt werden. Trotzdem ist nach wie vor festzustellen, dass die aus dem Abfallrecht bedingten Erfordernisse für Abbruchvorhaben vielfach bei Bauherren und den im Auftrag der Bauherren tätigen Planern noch nicht den erforderlichen Stellenwert einnehmen, um einen reibungslosen Ablauf von Baustellen sicherzustellen.
Die Qualität der erbrachten Gutachterleistungen im Zusammenhang mit Schad- und Störstofferkundungen ist stark unterschiedlich, das Leistungsbild nach wie vor noch nicht klar etabliert. Der Anspruch der Auftraggeber reicht von der Erfüllung eines formalen Minimalerfordernisses bis hin zur Erstellung von Grundlagen für die Ausschreibung von Abbruch- und Entsorgungsdienstleistungen und der laufenden abfallwirtschaftlichen Begleitung von Abbruchvorhaben.
Vielfach wird in der initialen Anfrage seitens der Bauherren und Planer hier noch nicht klar differenziert, ein gesteigertes Bewusstsein der Nachfrager nach diesen Leistungen ist jedoch bemerkbar. Eine abfallwirtschaftliche Abbruchbegleitung und Fortschreibung der vor Ausschreibung erstellten Rückbaukonzepte beschränkt sich aktuell auf sehr große und komplexe Abbruchvorhaben. Bei ordnungsgemäßer Fortschreibung eröffnet das Rückbaukonzept wichtige Möglichkeiten des Nachweises rechtskonformer Abwicklung von Abbruchvorhaben.
Abfallartenzuordnung – Befugniserfordernis
Die Art jeweiliger Abfälle wird durch die zutreffende Schlüsselnummer gemäß Abfallverzeichnisverordnung festgelegt. Dies muss durch den Abfallbesitzer erfolgen. Als Abfallbesitzer gilt der Abfallersterzeuger (beispielsweise Bauherr) und jede Person, die Abfälle innehat (beispielsweise Bauunternehmen).
Der nunmehr vorliegende HP14-Leitfaden und der im Begutachtungsentwurf vorliegende ÖWAV Altholzsortierleitfaden gehen teilweise auf Baustellen-relevante Abfallarten und deren Zuordnung ein und werden somit weitere wichtige Hilfestellungen in der korrekten Abfallartenzuordnung sein. In der Praxis ist es vor allem relevant, wie der Abfall nach erfolgtem Lösen aus dem Bauwerksverbund vorliegt, da sich hier Unterschiede in der weiteren Handhabung und gegebenenfalls Auswirkungen auf erforderlichen Befugnisumfänge für Entsorgungsdienstleister ergeben. Es ist festzustellen, dass, durch im Vergleich zum Rückbaukonzept modifizierte Abbruchpraktiken, Abfälle (insbesondere Störstoffe, aber auch Schadstoffe) teilweise nicht als Monofraktionen anfallen und daher im Rahmen der Schad- und Störstofferkundung beziehungsweise der Erstellung des Rückbaukonzepts avisierte Abfälle sowohl in Menge als auch Qualität von der Baustellenpraxis teilweise stark differieren. Dies soll anhand eines vereinfachten praktischen Beispiels einer Ziegelmauer mit einer innen unter dem Verputz liegenden PAK-haltigen Abdichtungsschicht demonstriert werden (Abbildung 2).
Während das Feststellen des Vorliegens der PAK-haltigen Schicht und das sich daraus ergebende Ausschließen vom Recycling jedenfalls eindeutig zur gutachterlichen Aufgabe einer Schad- und Störstofferkundung gehört, ist die konkrete Umsetzung im Rahmen von Abbruchvorhaben nicht so eindeutig und insbesondere von der Implementierung des Verwertungsgebots abhängig. Die Entfernung der PAK-haltigen Schicht (gemeinsam mit dem Innenputz), wie dies durch einen Gutachter im Rückbaukonzept zu fordern wäre, resultiert im Aufkommen eines gefährlich kontaminierten Bauschutts, der unter der gefährlichen Schlüsselnummer 31441 (g) zu entsorgen ist und das Vorliegen der entsprechenden Befugnis seitens der mit der Entsorgung des anfallenden Abfalls betrauten Firma erfordert. Wenn demgegenüber die gesamte Ziegelmauer (inklusive Putz und PAK-haltiger Schicht) gemeinsam abgebrochen wird und die resultierenden Abfälle einer Deponierung zugeführt werden, werden die geforderten Grenzwerte für das Deponieren eingehalten, dem Verwertungsgebot jedoch nicht entsprochen. Hier stellt sich die Frage, wie ernst es mit dem Verwertungsgebot ist und in wessen Verantwortung dessen Umsetzung liegt.
Freigabezustand
Die Feststellung des Freigabezustands soll
sicherstellen, dass Schad- und Störstoffe sachgerecht aus dem Bauwerksverbund entfernt wurden und somit ein maschineller Rückbau und ein Recycling der mineralischen Abfälle erfolgen kann. Hier besteht die Herausforderung einer engen Zusammenarbeit zwischen Bauherr, Abbruchdienstleister und Gutachter, um sicherzustellen, dass es durch das Freigabeerfordernis nicht zu Verzögerungen des Abbruchvorhabens kommt. Erfahrungsgemäß ist die Feststellung des Freigabezustands bei einer Erstbegehung trotzdem aufgrund ungenügender Schad- und Störstoffentfrachtung in den wenigsten Fällen uneingeschränkt möglich.
Es ist auffällig, dass die Dienstleistung der Feststellung des Freigabezustands seitens der Auftraggeber vergleichsweise wenig nachgefragt wird. Dies scheint darauf zurückzuführen zu sein, dass der Freigabezustand vielfach durch rückbaukundige Personen des Abbruchdienstleisters festgestellt wird. In diesem Punkt sind die Erläuterungen zur Baustoffrecyclingverordnung des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus jedoch eindeutig, dass für größere Abbruchvorhaben jedenfalls befugte Fachpersonen und -anstalten mit der Feststellung des Freigabezustands zu befassen sind.
Resümee
Der ordnungsgemäßen Durchführung von Schad- und Störstofferkundungen und der korrekten Zuordnung der Abfallarten kommt eine steigende Bedeutung in Hinblick auf die Erfüllung von Trennpflichten und Sicherstellung erforderlicher Befugnisse beteiligter Akteure zu. Aufgrund erforderlicher Anpassungen der Abbruchtechniken und unerwarteten Auftretens weiterer Schadstoffe während des konkreten Abbruchs, wäre eine abfallwirtschaftliche Abbruchbegleitung in angepasster Detaillierungstiefe zu empfehlen, insbesondere da die Bedeutung der Nachweisführung bezüglich des Vorhandenseins von Schadstoffen und deren Entfrachtung aufgrund abfallrechtlicher Rahmenbedingungen steigt (Anmerkung: um aufwändige Untersuchungen zu vermeiden, Stichwort „HP14“).
Ein wesentlicher Problembereich besteht in der konkreten Umsetzung von Abbruchvorhaben und insbesondere in der Wahrnehmung des Verwertungsgebots durch Bauherrn und Abbruchfirmen. Eine effektive Umsetzung des Verwertungsgebots würde eine verstärkte behördliche Vorort-Kontrolle erfordern. Umsetzbar wäre das am ehesten durch eine Verschränkung des Abfall- und Baurechts in dem Sinne, dass die Baubehörde mit dem Vollzug der Abbruch-bezogenen Bestimmungen der Recyclingbaustoffverordnung beziehungsweise des Abfallwirtschaftsgesetzes (Anmerkung: Verwertungsgebot) betraut wird.
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