Boom bei Photovoltaik erzeugt Engpässe

Foto: Photovoltaikanlage auf Haus

Photovoltaik boomt. In Österreich gibt es derzeit mehr Projekte für PV-Anlagen, als kurzfristig umgesetzt werden können. Material-Lieferprobleme, Fachkräftemangel, aber auch das System der Förderungen sorgen für einen Rückstau. Immer mehr Österreicher und Österreicherinnen installieren PV-Module auf Wohnhäusern oder Gewerbeanlagen, um ihren eigenen Strom zu erzeugen. Beim Verteilernetzbetreiber Linz Netz liegen die Anträge für den Anschluss neuer Anlagen allein im ersten Quartal 2022 um 85 % über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Allerdings droht die erfreuliche Entwicklung gerade wegen des großen Erfolgs ins Stocken zu geraten – diesem Problem widmete sich das Energiepolitische Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit am 5. Mai 2022. Lieferengpässe, Fachkräftemangel bei den Installationsbetrieben sowie bürokratische Hürden sorgen für einen empfindlichen Rückstau.

Die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, ortet drei Gründe für den steigenden Wunsch nach selbst produzierter Sonnenenergie: „Erstens greift schön langsam das Bewusstsein für Klimaschutz, zweitens gibt es mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz gut dotierte Förderungen, drittens aber machen sich viele Leute Sorgen wegen des hohe Strompreises und wollen daher zumindest teilweise unabhängig werden.“

Engpässe im Fördersystem

In der Praxis stößt der Wunsch derzeit auf unerwartete Hürden. Der Geschäftsführer von Linz Netz, Johannes Zimmerberger, zeigte sich vor allem unzufrieden mit der Stichtagsregelung bei den Förderungen. Anträge für Investitionszuschüsse bei neuen PV-Anlagen können nur an 4 Stichtagen im Jahr bei der Ökostromförderstelle OeMAG gestellt werden. Für einen Antrag brauchen die Förderwerber die Zusage des zuständigen Netzbetreibers, dass die PV-Anlage auch ans Netz angeschlossen werden kann. „Die Folge ist ein Ansturm an Ansuchen, die wir innerhalb kürzester Zeit bewältigen müssen“, berichtet Zimmerberger, „wir müssen dafür eine Fülle von Daten überprüfen, das nimmt Zeit in Anspruch. Unsere Stromkunden stehen dabei selbst unter Druck, weil sie ja den Stichtag versäumen, wenn sie die Zusage nicht rechtzeitig erhalten.“

Die Netzbetreiber wünschen sich daher, so Zimmerberger, „dass dieses Fördersystem evaluiert wird. Was spricht dagegen, 12 Stichtage im Jahr einzuführen, sodass man monatlich Anträge stellen kann?“ Eine weitere Beschleunigung könnte erreicht werden, wenn die Fülle an benötigten Daten für die Antragstellung reduziert wird: „Kleinere Anlagen bis 20 kW Spitzenleistung müssen die Netzbetreiber laut Gesetz in jedem Fall anschließen. Man kann sich hier also die genaue Datenauskunft ersparen, die Förderstelle hat sowieso die Gewissheit, dass die Anlage ans Netz gehen kann.“

Schließlich erneuert Zimmerberger die Forderung der Netzbetreiber, dass die nur selten erreichten Spitzenwerte einer Anlage bei Bedarf abgeregelt – also nicht ins Netz eingespeist – werden sollen: „Wir ersparen uns einen teuren zusätzlichen Netzausbau, wenn die Netzkapazität nicht auf eine Spitzenleistung ausgerichtet sein muss, die nur in sehr wenigen Stunden tatsächlich erreicht wird. Dies zeigt sich am Beispiel einer bereits installierten Anlage: Schon ein Abregeln auf 95% der Spitzenleistung würde viel Geld ersparen, während dabei lediglich 0,66% der jährlichen Stromproduktion verloren gehen würden.“ Betreiber von PV-Anlagen sollten zudem vor allem einen hohen Eigenverbrauch im Auge haben, denn je höher der Eigenverbrauch, desto geringer ist die Belastung der Netze, „daher können mehr Anlagen mit in Summe höherer Erzeugungsmenge in das Netz einspeisen“.

Engpässe bei Material und Fachkräften

Eine weitere Unsicherheit ergibt sich, weil die Antragsteller ihr Projekt innerhalb einer fixen Frist von sechs Monaten fertigstellen müssen, damit sie ihren Anspruch auf Förderungen wahren. „Es gibt aber Lieferengpässe bei wichtigen Komponenten, derzeit etwa bei Wechselrichtern. Dazu kommt, dass die Installationsbetriebe durch den Boom ebenfalls überlastet sind. Es fehlt an qualifizierten Facharbeitern.“ Da die Förderanträge gestellt werden müssen, bevor ein Projekt in Angriff genommen wird, kann es daher passieren, dass jemand eine Förderzusage erhält und erst dann feststellt, dass er die Frist nicht halten kann, weil er keinen Installateur mit freien Kapazitäten findet oder er das nötige Material nicht rechtzeitig erhält. Zimmerberger: „Diese Fristen muss man erstrecken oder auch vorübergehend aussetzen. Das System schafft sonst viel unnötigen Frust.“

Materialmangel sowie der starke Preisanstieg bei Komponenten bringen auch die Netzbetreiber unter Druck: „Die Lieferzeiten für Betriebsmittel wie Transformatoren, Zähler oder Kabel liegen derzeit bei bis zu 70 Wochen, die Preise haben sich zum Teil verdoppelt.“ Deshalb drohen auch Verzögerungen, wenn der Anschluss größerer Anlagen einen Ausbau der Netzkapazität notwendig macht.

Ausbildungsprogramme gegen Fachkräftemangel

Gegen den Fachkräftemangel sollten eigene Ausbildungsprogramme gestartet werden, schlägt Brigitte Ederer vor: „Da sehe ich die Arbeitsmarkt-Organisation und die Arbeitsmarktpolitik gefordert. Wir brauchen eine Initiative, um kurzfristig mehr ausgebildetes Personal in den Bereich erneuerbare Energien zu bringen. Studien zeigen, dass wir bis zu 100.000 zusätzliche Arbeitskräfte in dieser Branche brauchen werden.“ Ausbildungsoffensiven sollten alle erforderlichen Qualifizierungsstufen umfassen, „denn es braucht ja nicht nur voll ausgelernte Elektronik-Facharbeiter. Aber auch weniger anspruchsvolle Tätigkeiten erfordern eine entsprechende Ausbildung. man kann hier auch mit Kurzlehrgängen viel erreichen.“

Das Forum Versorgungssicherheit ist die gemeinsame Plattform von fünf Verteilernetzbetreibern: Wiener Netze, Netz Niederösterreich, Netz Burgenland, Linz Netz und Netz Oberösterreich.

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