Die ab März geltende SVGW-Richtlinie W3/E4 unterstützt Eigentümer und Betreiber von Gebäude-Trinkwasserinstallationen in der Schweiz bei der Umsetzung und Dokumentation der vom Lebensmittelrecht geforderten Selbstkontrolle. Die Richtlinie tritt mit März 2021 in Kraft.
In der Richtlinie sind Aufgaben und Verantwortlichkeiten zur Durchführung der Selbstkontrolle definiert. Diese ist für die Abgabe von einwandfreiem Trinkwasser erforderlich. Für die verschiedenen Gebäudekategorien werden Kontrollintervalle und praxisgerechte Massnahmen vorgeschlagen, um Gefährdungen für die Trinkwasserqualität zu minimieren.
Mit der Inkraftsetzung des revidierten Lebensmittelrechts 2017 geriet die Gebäude-Trinkwasserinstallation verstärkt in den Interessensfokus. So müssen sich Eigentümer und Betreiber von Trinkwasserinstallationen, die Mieter und Verbraucher mit Trinkwasser versorgen, neu an die Lebensmittelbestimmungen halten. Gemäss den Erläuterungen zur Verordnung des Eidgenössisches Departements des Innern (EDI) über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen (TBDV) sind dies insbesondere Hotels, Pflegeheime, Schulen oder andere öffentliche Gebäude. «Insbesondere» heisst jedoch nicht ausschliesslich. Darum haben sich auch Gewerbebetriebe mit Personalduschen oder Vermieter von Wohnungen an die Bestimmungen des Lebensmittelrechts zu halten.
Da der Vollzug des Lebensmittelrechts bei den Kantonen liegt, kontaktierte die Kommission Trink- und Badewasser des Verbands Schweizer Kantonschemiker (VKCS) vor einiger Zeit die Sanitär-Branchenverbände SVGW und suissetec mit der Bitte, Dokumente zu erarbeiten, mit denen die Eigentümer und Betreiber von Gebäude-Trinkwasserinstallationen bei der Umsetzung der gesetzlich geforderten Selbstkontrolle unterstützt werden können. Daraufhin publizierte suissetec eine einfach verständliche Broschüre. Eigentümer und Betreiber von Gebäude-Trinkwasserinstallationen werden darin in Kenntnis gesetzt, dass nebst kommunalen Wasserversorgungen, Sanitärplanern und Sanitärinstallateuren auch Eigentümer und Betreiber sowie die Konsumenten für eine einwandfreie Trinkwasserqualität verantwortlich sind.
Gestützt auf die jahrelange Erfahrung rund um das Thema Selbstkontrolle in der kommunalen Wasserversorgung erarbeitete eine SVGW-Arbeitsgruppe unter der Leitung von Hans Peter Füchslin, Leiter Fachstelle Legionellen KLZH und Vorsitzender der Arbeitsgruppe «Legionellen» in der Kommission Trink- und Badewasser des VKCS, zusammen mit weiteren Vertretern von VKCS, suissetec, HSLU, der SVGW-Kommissionen W-UK2 (Wasserqualität u. -aufbereitung) und W-UK7 (Haustechnik u. Zertifizierungsprodukte) sowie einer städtischen Immobilienverwaltung die neue SVGW-Richtlinie W3/E4. Trotz Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 gelang es der Arbeitsgruppe, die Richtlinie innerhalb eines halben Jahres zur Vernehmlassung zu führen und anschliessend fertig zu bearbeiten. Nach der Verabschiedung durch die Wasser-Hauptkommission hat der SVGW-Vorstand an seiner Sitzung vom 10. Dezember 2020 die neue SVGW-Richtlinie W3/E4 genehmigt und auf den 1. März 2021 in Kraft gesetzt.
Richtlinie W3/E4 vervollständigt die W3-Reihe
Die W3-Richtlinienreihe beschreibt die anerkannten Regeln der Technik für die Gebäude-Trinkwasserinstallationen kalt und warm. Angefangen von der Planung und Ausführung (W3) über die Rückflussverhinderung (W3/E1) und Instandhaltung (W3/E2) bis hin zur gesamtheitlichen Betrachtung für die Sicherstellung der Trinkwasserhygiene (W3/E3). Die Richtlinienreihe wird nun mit der bald in Kraft tretenden Richtlinie W3/E4 vervollständigt. Diese erlaubt dem Eigentümer und Betreiber, die gute Verfahrenspraxis in der eigenen Gebäude-Trinkwasserinstallation und somit die Konformität mit den anerkannten Regeln der Technik periodisch zu beurteilen und, wenn notwendig, Massnahmen zur Sicherstellung der Trinkwasserhygiene einzuleiten.
Das Regelwerk besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil enthält allgemeine Informationen, gesetzliche Grundlagen, technische Hinweise und Arbeitsanweisungen für die Durchführung der Selbstkontrolle. Die für die eigentliche Selbstkontrolle notwendigen QS-Dokumente wie Checklisten für die Durchführung der Risikobewertung, Checklisten für die Umsetzung der Sofort- und weitergehenden Massnahmen sowie verschiedene Protokolle für die Dokumentation der Messmittelkontrolle oder das routinemässige Erfassen der Kalt- und Warmwassertemperaturen sind im zweiten Teil, den Anhängen, abgebildet.
Fortlaufendes Monitoring
Bei der Selbstkontrolle in Gebäude-Trinkwasserinstallationen geht es nicht nur um die regelmässige Instandhaltung der Anlagekomponenten. Vielmehr geht es darum, mit einem laufenden Monitoring sicherzustellen, dass die Trinkwasserqualität gemäss der guten Verfahrenspraxis und nach den anerkannten Regeln der Technik während der gesamten Lebensdauer einer Gebäude-Trinkwasserinstallation gewährleistet wird. Dazu zählen nebst der erwähnten regelmässigen Instandhaltung auch die Routine-Betriebskontrollen, die Routine-Temperaturkontrollen und die periodischen Risikobewertungen.
Für öffentlich zugängliche Duschanlagen gilt es zudem, mittels Probenahmen zu überprüfen, ob der Legionella spp.-Höchstwert von 1000 KBE/l eingehalten wird.
Wenn durch die Risikobewertung angezeigt, müssen Massnahmen ergriffen werden, um das Risiko zu beseitigen oder zu verringern. Mit geeigneten Kontrollen ist zu überprüfen, ob mit den getroffenen Massnahmen die gewünschten Ziele erreicht wurden oder ob weitergehende Massnahmen notwendig
sind.
Intervalle in Abhängigkeit zu Gebäudekategorien
Weil sämtliche Gebäude und Trinkwasserinstallationen individuell zu beurteilen sind, macht das Lebensmittelrecht keine Angaben zu den Kontrollintervallen. Diese finden sich in der SVGW-Richtlinie W3/E4, Tabelle 1. Darin werden für die verschiedenen Kontrolltätigkeiten entsprechende Intervalle in Abhängigkeit zu den verschiedenen Gebäudekategorien definiert. Angefangen von einem einfachen Einfamilienhaus bis hin zu komplexen Gebäuden wie Spitälern.
Risikomanagement
Die Selbstkontrolle gemäss der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) beinhaltet unter anderem eine Gefahrenanalyse nach dem HACCP-Konzept (Hazard Analysis Critical Control Point). In der Regel wird für jede Gefährdungssituation das Risiko als Produkt der Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert mit dem Schadensausmass bewertet. Wenn notwendig, sind entsprechende Korrekturmassnahmen festzulegen und die Restrisiken abzuschätzen. Die Risikobewertung in der SVGW-Richtlinie W3/E4 erfolgt nach denselben Grundsätzen, jedoch mit einem stark vereinfachten Verfahren.
Ein wesentlicher Bestandteil des Selbstkontrollkonzepts in der SVGW-Richtlinie W3/E4 sind die Risikomanagement-Checklisten, welche die Bestandesaufnahme für die organisatorische, betriebliche und technische Ist-Situation erlauben. Um die Umsetzung zu vereinfachen, werden für jeden Checklistenpunkt mehrere mögliche Massnahmen vorgeschlagen, sodass die verantwortliche Person mit geringem Aufwand nur die zutreffenden Aussagen ankreuzen muss.
Die Risikomanagement-Checklisten beinhalten über hundert Checklistenpunkte. Diese im ersten Moment grosse Zahl ist dem Umstand geschuldet, dass Gebäude-Trinkwasserinstallationen immer komplexer werden und auf dem Markt immer mehr Anlagekomponenten zur Verfügung stehen. Zudem soll die SVGW-Richtlinie W3/E4 für die ganze Schweiz und für alle Gebäudekategorien anwendbar sein. Für eine einfache Anwendung ist es deshalb unerlässlich, vor der ersten Durchführung der Selbstkontrolle alle nicht benötigten Checklistenpunkte zu streichen.
Die Intervalle bei den Risikomanagement-Checklisten sollen sicherstellen, dass massgebende Abweichungen, welche die Trinkwasserqualität beeinträchtigen können, frühzeitig erkannt werden. Sind seit dem letzten Beurteilungszeitpunkt keine massgebenden Veränderungen im Nutzerverhalten und in der Gebäude-Trinkwasserinstallation erfolgt, können die bestehenden Risikomanagement-Checklisten unverändert belassen werden. Am Ende der jeweiligen Risikomanagement-Checklisten ist lediglich mit Angabe von Person und Datum der Sachverhalt zu bestätigen. Dies stellt für die Umsetzung der Selbstkontrolle ebenfalls eine wesentliche Vereinfachung dar.
Legionellen-Beprobung
Anhand periodischer Legionellen-Beprobungen soll der Nachweis erbracht werden, dass die gesetzlichen und betriebseigenen Anforderungen bezüglich Legionella spp. eingehalten werden. Sie bilden eine der Grundlagen für das Risikomanagement in der SVGW-Richtlinie W3/E4. Aussagekräftige Ergebnisse lassen sich aber nur erzielen, wenn die Probenahmen mittels einer durchdachten Probenahmestrategie und von geschulten Personen mit geeignetem Material durchgeführt werden. Dies geht auch aus dem Fachartikel «Untersuchung von Gebäude-Trinkwasserinstallationen auf Legionellen» von F. Rölli et al. hervor, publiziert in Aqua & Gas 12/2020 [2].
Wie in diesem Artikel erwähnt, wurde im Rahmen zweier Forschungsprojekte eine Probenahmeempfehlung ausgearbeitet. Diese wird künftig auf der SVGW-Methodenplattform öffentlich zugänglich sein: www.svgw.ch/wasser/methodenplattform
In den vergangenen Jahren wurden an der Eawag und der HSLU Messuntersuchungen durchgeführt, die ergaben, dass die periodische Legionellen-Schaltung kein Garant für das Einhalten der Legionellen-Höchstwerte ist. Die Speichertemperaturerhöhung erzielt oft nicht die gewünschte Wirkung, weil die Temperaturerhöhung nachts erfolgt und das übrige Warmwasserverteilsystem in der Peripherie nicht von der Temperaturerhöhung erfasst wird. Dies liegt daran, dass in der Regel nachts kaum Warmwasser bezogen wird, und die Umwälzpumpe für die Warmwasserzirkulation dann auch häufig abgestellt ist.
Weitere Erläuterungen zu diesem Thema sind im informativen Teil am Schluss der neuen SVGW-Richtlinie W3/E4 festgehalten.
Bibliographie
[1] suissetec-Broschüre: Verantwortung für die Trinkwasserqualität im Gebäude
[2] Rölli, F. et al. (2020): Mal schnell eine Wasserprobe nehmen – Untersuchungen von Gebäude-Trinkwasserinstallationen auf Legionellen.
Aqua & Gas 12/2020: 26-32
(Quelle: Aqua & Gas)