Energietechnik in der Ukraine: Bangen, Potenzial und Hoffnung

Foto: NET Finanzvorständin Öztürk (li.), Aufsichtsratsvorsitzende Brigitta Schwarzer (re.)

Der Ukrainekrieg (be)trifft österreichische Unternehmen und deren Belegschaften vor Ort ganz unmittelbar und dramatisch. Beispiel NET New Energy Technologies. Die AG ist eine Beteiligungsgesellschaft und operative Holding, die ihren Sitz zwar in Wien hat. Aber ihre 100%-igen Tochterunternehmen KMWP und KW Energetik, die in der Energietechnik tätig sind, produzier(t)en in der Ukraine, zwischen Kiew und Odessa. Ein Doppelinterview von Mag. Manfred Kainz

NET-Finanzvorständin (CFO) Julia (Yuliya) Öztürk (am Foto links), gebürtige Ukrainerin, schildert im Gespräch die Ereignisse zu Kriegsausbruch: „Am 23. Februar bekamen wir die Nachricht über den Beginn einer Ausgangssperre, was bedeutete, ab 24. zu Hause zu bleiben. Ab dem 24. gab es auch erste Explosionen. Das Kriegsrecht wurde verhängt und die Generalmobilmachung ausgerufen. Es ging alles sehr schnell. Unsere männlichen Mitarbeiter mussten zur territorialen Verteidigung. Seither steht die Arbeit in unseren Werken.“

Potenziale
Die ukrainischen Standorte produzier(t)en spezielle Kessel und energietechnische Komponenten für individuelle Kesselanlagen. Kunden sind (Block-)Kraftwerke, Industrie (wie z.B. große Papierfabriken) und auch landwirtschaftliche Großverarbeiter. Vor 2014, dem Jahr der Krim-Annexion, hatte man auch Kunden in Russland und Belarus, nach 2014 nicht mehr. Dafür gab es mehr Käufer von Anlagen in der Ukraine selbst, in anderen Ostländern und Westeuropa: Österreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Daher auch die Holdinggründung 2017 in Wien.

Zukunft
Die Ukraine ist eines der weltgrößten Anbau- und Exportländer für Sonnenblumenöl. Und da kommt KMWP ins Spiel: Die NET-Tochter KMWP vor Ort ist spezialisiert auf Kesselanlagen für biogene Heizstoffe wie Holzhackschnitzel, Maiskolbenschalen, Stroh – und eben Sonnenblumenschalen. Wie viele UkrainerInnen denkt auch CFO Öztürk schon an die Zukunft, an die erhoffte Wiederaufbauzeit: Das bestehende biogene Potenzial werde auch nach einem hoffentlich baldigen Ende des Krieges ein großes Thema sein: Stichwort CO2-Reduktion durch Einsatz von Biomasse. „Unsere ukrainischen Facharbeiter erbringen sehr gute Qualität, die wir halten werden, wenn sie hoffentlich zurückkehren.“

Diversity
Die NET AG ist auch aus einem anderen Grund bemerkenswert. Ihr Aufsichtsrat ist zu zwei Dritteln weiblich besetzt. Aufsichtsratsvorsitzende Brigitta Schwarzer (am Foto rechts) im Gespräch dazu: „Das ist noch immer eine Seltenheit. In einem AK-Ranking war die NET AG mit der höchsten weiblichen Aufsichtsratsquote der Vergleichsgruppe ausgewiesen.“ Im Vorstand gilt „Fifty Fifty“. Die beiden Gremien-Zusammensetzungen waren von Anfang an – ab der Gründung der Gesellschaft zum Zwecke des Börseganges – so. Die weitere Aufsichtsrätin ist Ukrainerin. Auch in den Pandemiejahren habe die Kommunikation gut funktioniert; via Zoom wurden Umlaufbeschlüsse gefasst, Sprachbarrieren gibt es nicht.

Biomasse
AR-Vorsitzende Schwarzer zur Strategie: „Mit den weltweit steigenden Energiepreisen liegt es auf der Hand, dass Biomasse-Kraftwerke Aufschwung nehmen werden. Biomasse wird, auf Grund der (Kosten-)Entwicklungen auf den Energierohstoffmärkten und der internationalen energiepolitischen Ziele, einen höheren Stellenwert bekommen.”

(Foto: Alois Spandl, fotolois.com)

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