Raffinerie mit Biomasse statt Erdöl

Foto: Bioraffinerie

Ob Gärreste, Stroh oder Klärschlamm: Derzeit werden biogene Abfälle und Nebenprodukte als Futtermittel genützt, verbrannt oder entsorgt. Inwieweit sie künftig erdölbasierte Rohstoffe ersetzen könnten, lotete das Projekt „ABC – Austrian BioCycles“ aus. In einer Studie von ÖGUT, Boku und alchemia-nova sehen die AutorInnen Potenzial bei Stroh, Klärschlamm und Gülle sowie Biomüll und Holz.

Denn die Ergebnisse eines Vorgängerprojekts waren ernüchternd: Für eine komplette Substitution der stofflich genutzten fossilen Rohstoffe durch biogene Rohstoffe bräuchte es die 1,5-fache Agrarfläche Österreichs. Deshalb wurde in einer neuen Studie, die in Kürze veröffentlicht wird, untersucht, inwieweit Stroh, Klärschlamm und Gülle sowie Biomüll und Holz dafür genutzt werden können. Für die Flächenbilanz ein attraktives Szenario, bei den wirtschaftlichen und ökologischen Wirkungen ergibt sich ein differenziertes Bild.

Auf EU-Ebene und auch in Österreich wird immer wieder betont, dass biogene Nebenströme und Abfälle in einer biobasierten Wirtschaft oder Bioökonomie, die ohne erdölbasierte Produkte auskommen will, eine zentrale Rolle einnehmen könnten. „Doch obwohl es bereits eine Vielzahl an Bioraffinerie-Konzepten zur Nutzung der unterschiedlichen Biomassen gibt, sind wir vom industriellen Maßstab noch weit entfernt”, erklärt Erika Ganglberger, Expertin für Bioökonomie bei der ÖGUT.

Im Projekt „Stoffliche Nutzung fossiler Rohstoffe in Österreich und deren biobasierte Substitution”, das von alchemia-nova und scenario editor im Auftrag des BMVIT (nun BMK) durchgeführt worden war, war man in den Jahren 2017 bis 2018 der Frage nachgegangen, welche Mengen an Biomasse es braucht, um erdölbasierte Rohstoffe zu ersetzen und ob sich das mit den vorhandenen Flächen überhaupt sinnvoll ausgeht. In Bezug auf den Flächenverbrauch waren die Ergebnisse ernüchternd: Um erdölbasierte Produkte aus biogenen Rohstoffen herzustellen, bräuchte es für die Bereitstellung der Biomasse die 1,5-fache Agrarfläche Österreichs – und das ohne Berücksichtigung der Fläche, die für den Anbau von Lebensmitteln notwendig ist.

Nebenprodukte und Abfälle

Doch wie sieht es aus, wenn biogene Nebenprodukte und Abfälle berücksichtigt werden? Dieser Frage gingen ÖGUT, alchemia-nova und die Boku in einem neuen Projekt nach. In einer Studie, die in Kürze veröffentlicht wird, sehen die Studien-AutorInnen großes Potenzial in der Nutzung von Stroh, Abwasser bzw. Klärschlamm und Gülle sowie Biomüll, ebenso in Bezug auf die enormen Materialmengen in der österreichischen Holzwirtschaft.

Allerdings werden viele Abfall- und Nebenströme momentan energetisch oder als Tierfutter genutzt. Jede andere Nutzungsform steht dazu in Konkurrenz. Um Aussagen zur tatsächlichen Verfügbarkeit der untersuchten Sekundärströme zu machen, sind vertiefende Untersuchungen notwendig. „Zudem fehlen bei den meisten Stoffströmen noch wichtige Technologieschritte, um wirklich Marktreife zu erreichen”, sagt Veronika Reinberg von alchemia-nova.

Logistik- und Standortnetz

Für ein bestimmtes Verfahren aus Stroh wurde im Rahmen der Studie das erforderliche Logistik- und Standortnetz berechnet – und zwar jeweils in einer zentralen und dezentralen Variante. „Dabei erwies sich gegenüber dezentralen Pyrolyse- und Syntheseanlagen ein zentraler Standort als etwas günstiger”, erklärt Manfred Gronalt von der Universität für Bodenkultur Wien. Auch für andere Stoffströme wurden die Wirtschaftlichkeit und die erforderlichen Logistik- und Standortnetze berechnet.

Wirtschaftlich positiv

Begleitend wurden in der Studie mögliche ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen beleuchtet und in von der ÖGUT organisierten ExpertInnen-Workshops diskutiert: Volkswirtschaftlich und im Hinblick auf die Regionalentwicklung wird eine vermehrte Nutzung sekundärer Biomassen positiv eingeschätzt. Damit die Produkte wettbewerbsfähig wären, brauche es jedoch möglicherweise eine CO2-Bepreisung. „Wichtig ist es auch, gleichzeitig die biologische Vielfalt sowie die Bodengesundheit zu erhalten und auch zu steigern”, betont Joachim Thaler, Projektmitarbeiter bei der ÖGUT.

Ökologische Risken

Denn in Bezug auf die ökologischen Auswirkungen gebe es auch Risken, betonten die befragten ExpertInnen: Wenn beispielsweise Rebschnitt und Stroh als Rohstoff weiterverarbeitet wird, statt ihn in den Boden einzubringen, könnten dem Boden zu viele Nährstoffe entnommen werden. Bei der Nutzung von Klärschlamm wurden vielfach gesundheitliche Bedenken vorgebracht. Dennoch entspannt die Nutzung von biogenen Nebenprodukten und Abfällen die Flächenkonkurrenz, weil keine weiteren Anbauflächen erforderlich sind.

Forschungslücken identifiziert

Laut den StudienautorInnen gebe es aber auch noch hohen Forschungsbedarf – u.a. in Bezug auf Trenntechnologien, Umwelttechnologien wie der Fermentation und zu Katalysatoren sowie zu den analytischen Verfahren für biobasierte Rohstoffe und Produkte. Empfohlen wird dafür ein Mix aus thematischen und themenoffenen Förderprogrammen, die durch die Einbindung von Stakeholdern das Wissen aus der Praxis integrieren.

Zudem brauche es u.a. Anreize zum Teilen von Forschungsinfrastruktur, mehr Förderung interdisziplinärer und angewandter Forschung sowie Methoden der Risikoabschätzung, so ÖGUT-Projektleiterin Ganglberger.

Das Projekt „Austrian BioCycles” wurde von der ÖGUT unter der Leitung von alchemia-nova, gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur und scenario editor im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (nun Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) durchgeführt. Das Projekt wurde im Rahmen der 28. Ausschreibung des Programms „Produktion der Zukunft” finanziert. Die ÖGUT übernahm vor allem die wirtschaftliche und ökologische Wirkungsabschätzung und die Einbindung der ExpertInnen im Rahmen der interaktiven Stakeholder-Workshops.

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