Im 1. Halbjahr 2024 herrschte an den Finanzmärkten beste Stimmung. Davon profitierte auch der größte heimische Kapitalverwalter, die Erste Asset Management, die bei ihrem verwalteten Vermögen einen neuen Rekordwert verzeichnet. Die jüngsten Kursturbulenzen, ausgehend von Japan, deuten an, dass der Weg nun holpriger werden könnte. Dennoch gehen die Anlage-Expert:innen der Erste AM davon aus, dass die Wirtschaft in den entwickelten Volkswirtschaften eine „weiche“ Landung vollziehen wird. Favorisiert werden im 2. Halbjahr defensivere Aktien und höher rentierende Unternehmensanleihenfonds. „Die jüngsten Kursrückgänge auf den Aktienmärkten haben gezeigt, dass der Pfad für eine sogenannte `weiche´ Landung der Wirtschaft schmal ist“, resümiert Erste-AM-Chefvolkswirt Gerhard Winzer. „Tatsächlich haben zuletzt die Wachstumsindikatoren etwas enttäuscht. Der Auslöser für die Kursrückgänge sind jedoch in Japan angesiedelt.“
Zinsanhebung in Japan führte zu Schockwellen
Die japanische Zentralbank hat Ende Juli überraschend früh die zweite Leitzinsanhebung in diesem Jahr vorgenommen (von 0,1% auf 0,25%). Gleichzeitig wurde eine schrittweise Verringerung der Anleihekäufe verlautbart (quantitative Straffung). Noch wichtiger war vermutlich die Äußerung von Gouverneur Ueda, wonach mehr Leitzinsanhebungen in Richtung neutrales Niveau folgen werden, wenn sich die Wirtschaftsdaten wie erwartet entwickeln. Bis Ende 2025 könnte der Leitzinssatz auf 0,75% angehoben werden. Gleichzeitig haben in den USA die fallende Inflation und die Abschwächung am Arbeitsmarkt die Erwartungen für Leitzinssenkungen steigen lassen: Bis Ende 2025 sollte den Erwartungen der Erste AM zufolge, der Leitzinssatz von derzeit 5,5% auf 3,0% abgesenkt werden. Ähnlich in der Eurozone: „Hier erwarten wir eine Senkung des Leitzinssatz (Einlagensatz) von derzeit 3,75% auf 2%“, bekräftigt Winzer.
Durch stärkeren Yen geraten fremdfinanzierte Anlagen unter Druck
Die überraschenden Zinsanhebungssignale der japanischen Zentralbank haben Schockwellen durch das Finanzsystem geschickt. Die japanische Währung ist nach Ansicht von Erste-AM-Volkswirt Winzer massiv unterbewertet. In den letzten Jahren war der treibende Faktor dafür die ultra-lockere Geldpolitik in Japan, während die anderen Zentralbanken die Leitzinsen angehoben haben. Der Yen wurde in zunehmendem Ausmaß als Finanzierungswährung für Veranlagungen in höher rentierende Veranlagungsformen verwendet. Zu sehen ist das an dem stark angestiegenen Kreditvolumen in Yen von japanischen Banken für das Ausland. „Der Zinsunterschied zwischen Japan und dem Rest der Welt wird nun kleiner. Die Folge ist eine deutliche Festigung des Yen. Dadurch kommen die fremdfinanzierten Veranlagungen unter Druck“, betont Winzer. In diesem Zusammenhang sind auch Aktien mit hohen Bewertungen und ebensolchen Gewinnerwartungen unter Druck geraten (z.B. US-Technologieunternehmen). Diese Entwicklung hat für Winzer einen positiven Aspekt: „Je mehr die Marktturbulenzen von der Auflösung von Yen Carry-Trades beziehungsweise je weniger von einer Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfeldes getrieben werden, desto eher könnte eine Beruhigung auf den Märkten einsetzen.“
Basisszenario „weiche Landung“
Die Eckpunkte für das von Winzer favorisierte Szenario „weiche Landung“ sind eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums in den entwickelten Volkswirtschaften auf etwas unter dem Trend und ein langsamer Inflationsrückgang. Im nächsten Jahr werden die Inflationsraten wahrscheinlich noch etwas über dem Zielwert der Zentralbanken von 2% liegen (USA: 2,3%, Eurozone: 2,2%). „Die USA sind in diesem Umfeld nicht mehr die Wachstumslokomotive“, so Winzer. Die US-Wirtschaft schwächt sich zwar auf unter das Potenzialwachstum ab (2025: 1,7%), aber in Europa findet eine Rückkehr zum Wachstum statt (Eurozone: 1,0%). Ähnliches gilt für den Fertigungssektor: Für diesen sieht Volkswirt Winzer einen Übergang von der Stagnation zu einem Wachstumspfad, während beim Dienstleistungssektor, der bis dato der Wachstumstreiber war, eine graduelle Abschwächung einsetzt. Die jüngsten Konjunkturindikatoren haben dieses Szenario jedoch nicht unterstützt. Die Abwärtsrisiken haben zugenommen.
2. Halbjahr: Fokus auf defensivere Aktien und höher rentierende Unternehmensanleihen
Ausgehend von der volkswirtschaftlichen Betrachtung nimmt die Erste AM aktuell eine defensivere Aktiengewichtung vor: In den von der Erste AM verwalteten gemischten Fonds liegt die Aktienquote derzeit leicht unter der langfristigen Gewichtung, wobei Werte mit geringen Schwankungen wie Unternehmen der Telekommunikation und Versicherungen, Aktien aus dem Gesundheitsbereich und Konsum-Verbrauchsgüter übergewichtet sind. In den Länderallokation ist Lateinamerika auf der Aktienseite übergewichtet, die USA werden aufgrund der erhöhten Rezessionsrisiken und der ambitionierten Aktienbewertungen untergewichtet. Die anderen Regionen (Europa und Großbritannien, Asien und die übrigen Schwellenländer) werden neutral betrachtet.
Größeres Gewicht wird in der 2. Jahreshälfte den Anleihen eingeräumt. Die Quote wird erhöht. Vor allem Hochzinsanleihen weisen aufgrund der Ausweitung des Zinsabstandes (Spreads) zu risikolosen Anlagen ein attraktives Chancen-Risiko-Verhältnis auf. Auch Anleihenfonds mit kurzer Restlaufzeit (und Geldmarktfonds) sind wegen der inversen Zinskurse für die Erste AM relativ attraktiv. Untergewichtet bleiben Anleihen mit hoher Bonität, vor allem Staatsanleihen, da die erwarteten Leitzinssenkungen bereits eingepreist sind.
Nicht fehlen darf in potenziell volatileren Marktphasen eine Gewichtung von Gold. Vor allem auf die lange Sicht könnte es sich als sicherer Hafen vor Marktturbulenzen, zu hoher Inflation und einer Abschwächung des US-Dollars bewähren. Bei Industriemetallen und Energiewerten gleichen sich die Pro-Argumente des Basis-Szenarios der „weichen Landung“ und der Kriegsgefahr im Nahen Osten mit den Contra-Argumenten des schwachen Fertigungssektors und der skizzierten Wachstumsrisiken aus. Die Erste AM ist hier daher neutral positioniert.„Diese Positionierung bietet uns einen Puffer für den einen oder anderen Herbststurm und gleichzeitig die Möglichkeit bei einer Erholung von Anfang an mit dabei zu sein“, so Heinz Bednar, CEO Erste Asset Management.